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Aus: Ausgabe vom 15.11.2024, Seite 6 / Ausland
Südkorea

Präsident im Umfragetief

Südkorea: Polizei geht gegen Proteste vor. Zahlreiche Verletzte
Von Martin Weiser, Seoul
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Gewerkschaften vorneweg: Protest gegen den südkoreanischen Präsidenten am Sonnabend in Seoul

Mehr als 100.000 Menschen forderten am vergangenen Sonnabend im Zentrum der südkoreanischen Hauptstadt Seoul den Rücktritt des Präsidenten, als die Polizei plötzlich mit Gewalt gegen die Demonstranten vorging. Genaue Zahlen der Verletzten sind nicht bekannt. Laut der Zeitung Kyonghyang brach sich der Vorsitzende und gleichzeitig einzige Parlamentsabgeordnete der kleinen Sozialdemokratischen Partei Han Chang Min auf Grund der Polizeigewalt eine Rippe. Der Chef der Demokratischen Partei, Lee Jae Myung, fühlte sich an die »Totenkopf«-Terroreinheit der Polizei erinnert, die während der Diktatur gewaltsam gegen Demonstrationen vorging. Insgesamt elf Demonstranten wurden verhaftet, zehn davon sind Mitglieder der linken Gewerkschaft Federation of Korean Trade Unions. Dem Chef der Gewerkschaft, die als Teil eines größeren Zusammenschlusses auch zur Demonstration aufgerufen hatte, werden von der Polizei juristische Folgen angedroht.

Der Protest war regulär angemeldet worden und verlief zunächst vollkommen friedlich. Der Polizei reichte allerdings schon, dass die Demonstration sich nicht – wie genehmigt – nur auf die Hälfte der neunspurigen Hauptverkehrsachse beschränkte, die vom Kyungbukgong-Palast bis zum Präsidentenamt führt. Fadenscheinige Begründungen für Polizeigewalt sind in der Regierungszeit des aktuellen Präsidenten und ehemaligen obersten Staatsanwalts Yoon Suk Yeol zum Prinzip erhoben worden. Neben »illegaler« Straßenblockade reichten in der Vergangenheit bereits eine »Lärmbelästigung« oder »Zeitüberschreitung«, um Demonstranten zu drangsalieren.

Die südkoreanische Polizei behauptete kurz nach der Demonstration, es seien gar 105 Polizisten trotz schwerer Schutzausrüstung verletzt worden. Die rechte Zeitung Chosun Ilbo schrieb anhand dieser Zahlen frohlockend, dass es die gewaltvollste Demonstration seit November 2015 gewesen sei. Damals hatte die Polizei angegeben, 125 Mann seien verletzt worden. Der Großteil der diesmaligen Verletzungen waren allerdings – wie ein Abgeordneter der konservativen Regierungspartei erfragte – Schürfwunden und blaue Flecken.

Am Montag bestellte das Parlament den Polizeichef ein. Dieser bestritt jedoch jedwedes Fehlverhalten seiner Beamten und wiederholte die Behauptung, die Demonstration sei illegal gewesen. Als Begründung reichte wieder, dass Demonstranten die ganze Straße genutzt hatten. Da hätte man zum Wohl der anderen Bürger nicht anders gekonnt, so der oberste Polizist, als die Demonstration aufzulösen. Explizit zu sagen, dass das Recht auf schnelles Autofahren über den demokratischen Rechten steht, hatte er sich dann aber nicht getraut. Südkoreanische Abgeordnete und linke Medien warnen bereits, dass all das noch ein Nachspiel haben wird. Während die Abgeordneten der Demokratischen Partei drohen, mit ihrer Mehrheit im Parlament der Polizei das Budget für solche Einsätze zusammenzustreichen, sehen einige Journalisten ein Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2021 verletzt. Laut diesem darf die Polizei vorher genehmigte Demonstrationen wegen geringfügiger Abweichungen einschließlich des genehmigten Bereichs eigentlich nicht auflösen.

Die südkoreanische Polizei machte sich am selben Tag auch am anderen Ende des Landes zum Handlanger der Regierung. Auf dem Campus der Pukyong National University in Busan, einer staatlichen Universität, wollten Studenten ebenfalls für den Rücktritt des Präsidenten demonstrieren. Die Universität verbot das mit dem Verweis auf die politische Neutralität des Unigeländes, und als sich die Studenten nicht daran hielten, lösten 200 Polizisten die Versammlung auf. Am meisten störte man sich wohl daran, dass die Studenten Urnen für die Frage aufgestellt hatten, ob der Präsident zurücktreten solle. Doch beim derzeitigen Umfragetief des Präsidenten von 17 Prozent Zustimmung, ist eigentlich schon klar, wie das Urteil selbst im konservativen Südosten des Landes ausgefallen wäre.

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