Achtundachtzigjähriger des Tages: Wolf Biermann
Von Felix BartelsNeues von Biermann. Geburtstag hat er. Wie letztes Jahr um die Zeit. 88, und wir wissen, welche Rolle diese Zahl in der Welt der politischen Codes spielt: achter Buchstabe im Alphabet, HH, HipHop. Passend, denn zum Geburtstag kommt ein Album heraus mit Biermanns besten Liedern, zum Glück gesungen von anderen. »Re:Imagined« heißt es, und darauf rappt der Rapper Torch (heißt wirklich so) Biermanns »Von den Menschen«. Das Gedicht beginnt mit einem wunderbaren Vers: »Krieg raus, wer du bist!« Er könnte über Biermanns Leben stehen. Die DDR – vielleicht nicht ihre größte Leistung – hat ihm ein wenig bei der Beantwortung der Frage geholfen.
Hatte Biermann in seiner Rebellion gegen die SED zugleich auch immer gegen die Realität rebelliert, weil er übers Stadium der Linksromantik nicht hinauskam, wurde er in der BRD angekommen recht zügig staatsertragend. Geschätzte neun von zehn Einlassungen seit 1990 handelten von Linkspartei oder PDS. Krieg raus, wer du bist: Aus Mut gegen oben wurde Wut gegen unten.
Da die Linke mittlerweile erledigt scheint, hält Siegfried Ausschau nach neuen Drachen. »AfD und BSW«, verriet er dem Stern, »sind was für die Dumpfbacken in der Demokratie«. Zwar habe »jede Generation das Joch und das Recht, ihre eigenen Dummheiten zu machen«, doch die »Widersprüchlichkeit und Komplexität der Welt muss ein Mensch immer wieder neu lernen und aushalten können«. Und weil er selbst so viel komplexer und dialektischer denkt als jene Dumpfbacken, hat er auch verstanden, dass AfD und BSW keineswegs die Kehrseite einer Gesellschaft sind, die Elend so massenhaft wie Bier produziert. Nicht der Katzenjammer einer Umwelt, in der keiner gewinnen kann, ohne dass ein anderer verliert. Besoffen von der eigenen Weisheit schreit der Wolf seinen Schatten an, weil der ihm den Raum verdunkelt.
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