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Aus: Ausgabe vom 15.11.2024, Seite 15 / Feminismus
»Revenge Porn«

Jeder 70. Mann im Land

Portugal: Telegram-Chat mit »Rachepornos« stößt öffentliche Debatte an
Von Carmela Negrete
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Wider den Machismus: Internationaler Frauenkampftag in Lissabon (8.3.2020)

Es muss ein offenes Geheimnis gewesen sein. Die portugiesische Tageszeitung Público veröffentlichte Ende Oktober eine investigative Recherche über eine öffentliche Telegram-Gruppe, in der rund 70.000 (vor allem) Männer sexuelle Bilder und Videos von Frauen ohne deren Einverständnis teilten. Wenn man bedenkt, dass Portugal laut letzten Schätzungen von 2023 etwa 10,3 Millionen Einwohner hat, von denen 48 Prozent Männer sind, bedeutet dies, dass etwa jeder 70. männliche Portugiese Teil des Chats war.

Auf Telegram, das seine Nutzer nicht dazu verpflichtet, ihre echte Identität anzugeben, hatten sich Tausende von Männern einer Gruppe mit »Revenge Porn«-Inhalten (zu Deutsch »Racheporno«) angeschlossen. Oft handelte es sich um Fotos von Expartnerinnen oder Freundinnen von Bekannten – daher der Name der Gruppe. Dass in Portugal die unerlaubte Aufnahme und/oder Veröffentlichung von Fotos oder Videos mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden kann, schreckte offenbar weder die Organisatoren noch die Teilnehmer der Chatgruppe ab.

Der Skandal hat in Portugal eine Debatte über Männlichkeit ausgelöst. Die Feministin Clara Não fragte etwa in einer Kolumne der Tageszeitung Expresso: »Wenn 70.000 Männer auf Telegram intime Fotos von Frauen ohne deren Zustimmung teilen, was sagt das über unsere Gesellschaft aus?« Teil der öffentlichen Diskussion ist auch die Tatsache, dass den Frauen, die auf den Bildern und Videos wiedererkannt wurden, mehr gesellschaftliche Ablehnung entgegenschlägt als den Veröffentlichern des Materials. Denn häufig wurden die Inhalte auch unter Verweis auf die Konten der betroffenen Frauen geteilt.

Bei »Revenge Porn« handelt es sich um eine Form der Rache meist gegenüber der Expartnerin. Diese haben die Bilder und Videos in den meisten Fällen während der Beziehung selbst angefertigt und versendet. Auch in Deutschland ist die Verbreitung solcher Inhalte durch Paragraph 201a des Strafgesetzbuchs verboten. Das Problem der »Rachepornos« ist schon länger bekannt. Es handelt sich dabei um eine neue Form von Gewalt gegen Frauen, denn die psychischen Folgen für die Betroffenen sind enorm. Australien richtete 2017 eine Meldestelle ein – zwei Jahre nachdem Google versprochen hatte, Ergebnisse von Suchanfragen nach »Rachepornos« zu löschen. Doch im Fall von Telegram ist die Strafverfolgung durch die Anonymität erschwert.

Bekanntlich wird bei dem Messenger die Zensur verschiedenster Staaten umgangen, darunter der EU. Der Gründer der Plattform, Pawel Durow, ist derzeit »wegen fehlender Moderation« in Frankreich angeklagt. Der Vorwurf lautet unter anderem, dass bei Telegram »Hassrede«, Drogenhandel, Betrug und Kinderpornographie betrieben würden. Im August wurde Durow mehrere Tage lang in französischem Polizeigewahrsam festgehalten; anschließend wurden französischsprachige Palästina-Solidaritätsgruppen in dem Netzwerk blockiert. Ironischerweise war die russische Blockade von Telegram 2018 im Westen als Zensur kritisiert worden.

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