Pistorius gegen Scholz
Von Kristian StemmlerNach dem Zerfall der Ampel bereiten sich die Parteien im Eiltempo auf die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar vor. Da kocht in der Nochkanzlerpartei SPD der Streit um den nächsten Kandidaten für den Posten hoch. Vertreter der zweiten und dritten Reihe wagen sich aus der Deckung und plädieren für Verteidigungsminister Boris Pistorius, während die Parteispitzen Amtsinhaber Olaf Scholz unterstützen. Bild und Welt trommeln seit Tagen dafür, Scholz durch Pistorius zu ersetzen. Die offizielle Nominierung erfolgt beim Parteitag am 11. Januar. Vom »Team Pistorius« wird darauf verwiesen, dass der Niedersachse laut Umfragen der »beliebteste« deutsche Politiker sei, während Scholz’ Werte abgestürzt seien. In aktuellen Umfragen steht die SPD bei rund 16 Prozent Zustimmung und liegt damit noch hinter der AfD.
»Wir leben in einer Zeit, in der Personen Parteien ziehen«, erklärte der frühere SPD-Landesvorsitzende in Thüringen, Andreas Bausewein, gegenüber dem Stern (Freitag) das politische Pferderennen. Wolle die SPD erfolgreich sein, »dann heißt unsere beste Chance Boris Pistorius«, sagte Bausewein. Entsprechend hatte der SPD-Kreisverband Bamberg Scholz am Mittwoch zum Verzicht auf eine weitere Kandidatur aufgefordert. Trotz dessen »Verdienste« würde man »sehenden Auges in eine unnötige Wahlniederlage hineinlaufen«, erklärte der Vorsitzende Olaf Seifert in einer Mitteilung. Daher müsse die SPD mit dem »äußerst beliebten« Pistorius »eine neue Dynamik für den bereits anlaufenden Bundestagswahlkampf erzeugen«.
Pistorius steht allerdings bei einigen wegen der Forderungen nach mehr finanzieller sowie militärischer Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland und einem höheren Militäretat der BRD in keinem guten Licht. Auch die Losung von einem »kriegstüchtigen« Deutschland dürfte bei Teilen der SPD-Wählerschaft Unbehagen ausgelöst haben.
In der Partei werde sich bald die Einsicht durchsetzen, dass ein Wandel nötig sei, wusste der SPD-Oberbürgermeister von Gotha, Knut Kreuch, gegenüber dem Spiegel (Donnerstag). Der SPD sei nicht geholfen, wenn sie im nächsten Bundestag nur noch 100 Abgeordnete habe, weshalb sie »nicht mit Olaf Scholz antreten« sollte. Für Pistorius sprachen sich auch der parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Rüdiger Erben, sowie der Osnabrücker SPD-Chef Robert Alferink aus.
Rückdeckung erhält Scholz vom Parteichef Lars Klingbeil. Mit ihm kämpfe man »für Familien, für Rentnerinnen und Rentner, für alle, die auf vernünftige Löhne angewiesen sind«, behauptete Klingbeil am Freitag in Bild. Damit werde die SPD sich »nach vorne arbeiten« und deutlich machen, wo die Unterschiede zu CDU-Chef Friedrich Merz liegen. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach stellte sich hinter den Kanzler. Die Partei brauche jemanden, der »keine unwägbaren internationalen Risiken eingeht und auch etwas von Wirtschaft und Finanzen versteht«, sagte Lauterbach im Deutschlandfunk.
Zuvor hatten sich SPD-Vorsitzende Saskia Esken, Generalsekretär Matthias Miersch, Bauministerin Klara Geywitz und Fraktionschef Rolf Mützenich für Scholz als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Mützenich hatte am Dienstag dem Hanseaten Scholz bescheinigt, »die nötigen Emotionen« für den Wahlkampf zu haben.
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