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Aus: Ausgabe vom 18.11.2024, Seite 1 / Inland
Bündnis 90/Die Grünen

Olivgrün mit Herz

Auf ihrem Parteitag entdecken Bündnis 90/Die Grünen ihre Liebe zum Sozialen. Weiterer Hochrüstung soll das nicht im Wege stehen
Von Nick Brauns
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Mit Strickzeug erinnert Annalena Baerbock auf dem Parteitag an die Wurzeln der Grünen in der Öko-Bewegung, der einstige Pazifismus ist hingegen längst vergessen

Mit dem Versprechen von mehr Kanonen und etwas Butter hat sich die Nochregierungspartei Bündnis 90/Die Grünen am Wochenende auf ihrem Wiesbadener Bundesparteitag in Stellung für die vorgezogenen Bundestagswahlen in rund drei Monaten gebracht.

Gewählt wurde nach dem Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour infolge mehrerer Wahlniederlagen ein neues Führungsduo: Franziska Brandtner, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, und der Duisburger Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak.

Derzeit in Umfragen bei maximal zwölf Prozent, setzten die Grünen auf ein Wahlergebnis, dass sie rechnerisch als Koalitionspartner der Union ins Spiel bringt. Außenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, vom Parteitag zum Spitzenduo im Wahlkampf gekürt, entdeckten ihr Herz fürs Soziale. Dass gestiegenen Lebenshaltungskosten insbesondere Folgen des von den Grünen forcierten Wirtschaftskrieges gegen Russland sind, unterschlug Baerbock in ihrer Rede wohlweislich.

So haben die längst ins »Olivgrüne« abgedrifteten Grünen ihrer neuen Liebe zu »Gerechtigkeit und Sozialstaat« (Habeck) nicht viel mehr als warme Worte zu bieten. Vornehmlich die kürzlich einem Aderlass ihres linken Flügels unterzogene Grüne Jugend hatte auf Abschaffung der Schuldenbremse gedrängt. Dem widersetzte sich der aus unerfindlichen Gründen als Parteilinker gehandelte neue Vorsitzende, und der Parteitag sprach sich lediglich für eine Reform aus, um staatliche Kreditaufnahme in Höhe der getätigten Investitionen zu ermöglichen. »Unsere Hand ist ausgestreckt, dieses große Ding, Reform der Schuldenbremse, noch vor der Wahl zu machen«, bot Habeck am Sonntag Unionschef Friedrich Merz die Zusammenarbeit an. Die vom linken Flügel geforderte, aber von den sogenannten Realos um Brandtner abgelehnte Vermögenssteuer taucht im vorab ausgearbeiteten Kompromisspapier nur unkonkret hinter anderen Maßnahmen auf. Im Antrag zur Migrationspolitik wurde das Asylrecht zwar als »große Errungenschaft« gefeiert, doch gegenüber dem ZDF tönte Banaszak in rechter Diktion: »Wer das Recht missbraucht, der hat es dann eben auch verwirkt.«

Stimmen, die sich für Abrüstung und gegen weitere Bundeswehr-»Sondervermögen« aussprachen, blieben gänzlich isoliert. Deutschland müsse schließlich wehrhaft sein, so die Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger. Am Freitag hatte Baerbock »erneut ein großes, großes Sicherheitspaket« sowie »weitreichende Waffensysteme« für die Ukraine gefordert. Es liege »im strategischen und sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands und der EU, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine entschlossen zu verteidigen«, heißt es in dem mit großer Mehrheit beschlossenen Antrag, worin auch eine »neue Strategie zum Umgang mit dem autoritären und aggressiven Russland von heute« gefordert wird.

Der Ruf nach Frieden gilt in der einstmals pazifistischen Partei offenbar schon als Vaterlandsverrat. Es stelle sich die Frage, ob Olaf Scholz womöglich einen Wahlkampf als »Friedenskanzler« plane, attackierte Grünen-Außenpolitiker Robin Wagener den SPD-Politiker wegen dessen kürzlichem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Grünen setzten sich für einen »Freiheitsfrieden« ein, so Wagener – die orwellsche Umschreibung eines Siegfrieden gegen Moskau bis zum letzten Ukrainer und auf Kosten der deutschen Wirtschaft.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (18. November 2024 um 07:07 Uhr)
    Habeck hat sich als »Kandidat für die Menschen« bezeichnet und nahezu im gleichen Atemzug im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio vom Sonntagabend gesagt, dass er »Taurus«-Raketen in die Ukraine liefern würde. Also für welche Menschen will er der Kandidat sein? Für die Chefs von Rheinmetall und deren Aktionäre, für die Heckler-und-Koch-Besitzer oder für die Hersteller der »Taurus«, die Taurus System GmbH? Das wäre sehr kurz gedacht, denn man muss davon ausgehen, dass dieser Einsatz den nuklearen Showdown auslösen wird. Dann wird kein Mensch mehr seine Gewinne aus Waffenverkäufen genießen können, weil gar keiner mehr da ist. Der »Kandidat für die Menschen« will also seine Wähler in gewaltigen Atomblitzen verglühen lassen. Auch so kann man um die Einhaltung von Wahlversprechen herumkommen. Petra Kelly, Antje Vollmer, Horst Bastian und andere Gründungsväter und -mütter der einstmals pazifistischen Partei würden sich im Grab rumdrehen. Das ist ein klassisches Beispiel für puren Opportunismus – Hauptsache Macht, egal, was ich dafür verrate … Pfui Teufel …
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (18. November 2024 um 14:55 Uhr)
      Sie haben völlig recht. Das Problem: Die NATO-Grünen um Habeck und Baerbock glauben zu wissen, dass die Ansage von Putin in diesem Kontext nur russische Propaganda ist. Sie glauben, hinter dem US-amerikanischen Nuklearschirm seien sie sicher und als glühende Transatlantiker sind sie daher mit ihren Kumpels im Geiste Merz, Kiesewetter, Roth, Lindner, Strack-Zimmermann etc. einig, dass alle Warnungen aus Moskau »Unfug« seien. Die Möglichkeit, dass der Verbündete in Übersee an der Zerstörung dieser Welt keinerlei Interesse hat und sich deshalb in einen direkten Krieg mit Russland nicht hineinziehen lassen wird, spielt in deren arroganten Wahnsinn keine Rolle.
      • Leserbrief von Franz Döring (19. November 2024 um 11:52 Uhr)
        Es gibt viele tausend US-Soldaten in den europäischen NATO-Ländern! Meinen Sie etwa, dass die USA ihre Soldaten ungestraft und ohne eigene militärische Reaktion für die NATO opfern würden? Es gibt für den Fall eines russischen Angriffs auf ein NATO-Mitglied eine Beistandspflicht aller übrigen NATO-Mitglieder!

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