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Aus: Ausgabe vom 18.11.2024, Seite 2 / Ausland
Stromerzeugung in Australien

»Wir haben fast ein Jahrzehnt verloren«

Australien: Deutliche Fortschritte bei der Energiewende. Dennoch enorme Verzögerungen beim Klimaschutz. Ein Gespräch mit Cam Walker
Interview: Thomas Berger, Melbourne
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Aus Tasmanien kam zuletzt die Nachricht, wo vor allem mit Wasserkraftnutzung erneuerbare Energie bereitgestellt wurde, müsse neuerdings aus fossilen Brennstoffen erzeugter Strom vom Festland importiert werden. 2024 sei das trockenste Jahr seit 1934 und auf der Insel herrsche Wassermangel. Was steckt hinter dieser Meldung?

Der Klimawandel hat uns längst überall im Griff. Tasmanien hat sich vorrangig von ausreichend Regenfällen abhängig gemacht, die nun ausbleiben.

Australien ist ein relativer Newcomer im Hinblick auf robuste Anstrengungen. Erwarten Sie von den Regierungsvertretern bei der UN-Konferenz COP 29 in Baku neue Ankündigungen?

Eher nicht, weil wir schon jetzt in der Erfüllung hinterherhinken. Bei vielen von 35 Punkten aus dem Pariser Klimaabkommen erreichen wir unsere nationalen Zielmarken längst noch nicht. Die Energiewende ist hierzulande nicht so einfach. Es stehen schwierige Investitionen an. Wir hatten beim Antritt der Labor-Regierung große Hoffnungen, dass es schneller gehen und eine große Neuschreibung der Klimapolitik stattfinden würde. Doch das wichtigste Gesetz dazu hängt noch immer in der Schwebe.

Fortschritte beim Photovoltaik-Ausbau sind überall zu sehen. Ende 2023 lag die installierte Kapazität aus erneuerbaren Quellen bei 54,3 Gigawatt. Warum reicht das nicht?

Seit einer Weile sind Solardächer sehr populär. Die dort installierten Kapazitäten sind in der Tat beträchtlich. Doch was wir daneben brauchen, sind große Wind- und Solarparks. Da hapert es noch. Zugleich fehlen Speichersysteme und Transportleitungen. Investitionen verzögern sich, auch durch die politischen Unsicherheiten. Die konservative Opposition liebäugelt öffentlich mit Atomkraft, obwohl Australien – abseits eines Forschungsreaktors – diese Form der Stromerzeugung nie hatte. Bei dieser Regierung wiederum ist von der »Beschleunigung«, die versprochen wurde, bisher nicht viel zu spüren.

2025 könnte es einen erneuten Machtwechsel geben. Sehen Sie die Gefahr, dass ein Rollback stattfinden könnte?

Absolut, wir hatten zuletzt neun Jahre konservative Herrschaft. In jener Zeit hat sich in Sachen Klimapolitik auf globaler Ebene einiges bewegt, nicht aber bei uns. Wir haben fast ein Jahrzehnt verloren. Das Gute ist dabei immerhin, dass die Bundesstaaten und Territorien wenigstens einiges an nationalen Versäumnissen mit eigenen Anstrengungen ausgeglichen haben. Gerade unsere Regionalregierung in Victoria ist in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich. Das allein reicht zwar nicht, macht aber Hoffnung selbst für eine etwaige neue konservative Dominanz, um dagegenhalten zu können.

Noch vor wenigen Jahren waren im ländlichen Australien die Leserbriefspalten voll von Zeilen, die den Klimawandel in Frage stellten. Jetzt gibt es immer mehr machtvolle Proteste, selbst in kleineren Städten. Was hat sich da gesellschaftlich verändert?

Die echten Klimawandelleugner sind nur noch eine kleine Minderheit von vielleicht zehn Prozent. Wir haben auch hier landesweit in zunehmender Zahl Naturkatastrophen – Buschfeuer, Dürren, Überschwemmungen, schlimme Tropenstürme. Immer mehr Menschen verbinden diese einzelnen Punkte und erkennen, dass da insgesamt etwas nicht in Ordnung, dass das eine Folge des Klimawandels ist. Wir können von einem echten Bewusstseinswandel sprechen.

Ende November ist in Newcastle, dem größten Kohlehafen des Landes, ein Protest geplant …

Ungeachtet der Umstellung unserer heimischen Stromerzeugung geht es um die enormen Kohle- und Gasexporte. Was wir vor allem nach Indien und China verschiffen, entspricht in Summe dem bis zu Dreifachen unseres hiesigen Klima-Fußabdrucks. Das muss dringend gestoppt werden, auch aus Verantwortung gegenüber unseren pazifischen Nachbarn, die insbesondere vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind. Aber die »fossile« Energielobby hat in Australien traditionell sehr starken Einfluss auf die Politik, das sollte man nicht vergessen.

Cam Walker ist Kampagnenleiter Klimaschutz bei »Friends of the Earth« in Melbourne, einer der größten australischen Umweltorganisationen

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