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Aus: Ausgabe vom 18.11.2024, Seite 4 / Inland
IMI-Kongress

Kriegstüchtig bis ins Klassenzimmer

Kongress der Informationsstelle Militarisierung: Bildung und Wissenschaft im Visier der Bundeswehr
Von Matthias Rude, Tübingen
Jürgen Wagner und Marius Pletsch (2).jpg
Volles Haus beim alljährlichen IMI-Kongress in Tübingen (17.11.2024)

Unter dem Motto »Zeitenwende in Bildung und Hochschulen« hat am Wochenende der alljährliche Kongress der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) stattgefunden. Im Mittelpunkt standen die Auswirkungen der von der Politik geforderten »Kriegstüchtigkeit« auf Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen sowie Gegenstrategien der Friedensbewegung.

Tobias Pflüger und Christoph Marischka von der IMI zeichneten ein klares Bild davon, wie die »Zeitenwende« tief in die gesellschaftlichen Strukturen hineinwirkt. Der Ukraine-Krieg sei nur der »Legitimationsanlass« gewesen, eine ohnehin geplante Aufrüstung vorzunehmen. »Schlag auf Schlag« würden die neue deutsche »Kanonen statt Butter«-Politik sowie die proklamierte »Mentalitätswende« in allen gesellschaftlichen Bereichen durchdekliniert.

Konkrete Auswirkungen beleuchteten verschiedene Referate von Aktiven etwa aus dem gewerkschaftlichen Bereich oder der Bewegung für die Zivilklausel. »Der militärisch-industrielle Komplex braucht die Hochschulen, um Kriegspropaganda scheinwissenschaftlich zu legitimieren«, erklärte Senta Pineau von der Initiative »Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel«. Die oft unter dem Druck studentischer Proteste eingeführten Selbstverpflichtungen von Universitäten, nur für friedliche Zwecke zu forschen, stehen unter Beschuss. In Bayern sind sie durch das neue »Bundeswehr-Gesetz«, das Bildungseinrichtungen zur Kooperation mit dem Militär verpflichtet, inzwischen illegal.

Wie stark die Jugend im Fokus staatlicher Rekrutierungsstrategien steht, machten Vorträge zur Social-Media-Präsenz der Bundeswehr, über Jugendoffiziere als »Karriereberater« an Schulen und zur Wiedereinführung des Wehrdiensts deutlich. Das Militär nutze »die unseriösesten Kanäle, um sich in das Alltagsleben der Jugendlichen zu schleichen«, so das Urteil des Tübinger Schülers Jonny Fischer, der aus der »Perspektive der Rekrutierten« sprach. 2023 wurden fast 122.000 Schüler durch Jugendoffiziere »erreicht«, rechnete er vor. Laut aktuellen Plänen des Verteidigungsministeriums sollen in Zukunft jährlich 350.000 junge Männer Post von der Armee bekommen; Boris Pistorius (SPD) hofft auf die Musterung von bis zu 50.000 Teenagern pro Jahr. Wohin die Reise führt, zeigte ein Blick nach Lettland, wo bekanntlich Hitler-Kollaborateure als »Befreier« gefeiert werden. Dort wurde »Wehrkunde« bereits als Unterrichtsfach eingeführt.

Perspektiven aus der Wissenschaft waren ebenfalls vertreten. Selbst die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) sei »den kurzfristigen Interessen einer unverantwortlichen Politikerklasse geopfert« worden, berichtete etwa der Physiker Hannes Jung: Die Zusammenarbeit mit Russland, die während des gesamten Kalten Kriegs bestand, wurde im Zuge des Ukraine-Konflikts eingestellt. Auch systematische Angriffe auf die Meinungsfreiheit, etwa im Zusammenhang mit Palästina, waren Thema. Zum Abschluss präsentierten sich unter dem Motto »Junge Bewegungen gegen Krieg und Militarisierung« antimilitaristische Initiativen, unter anderem das neu gegründete Bündnis »Nein zur Wehrpflicht«. Durch deren schrittweise Wiedereinführung solle Widerstand kleingehalten werden, doch Jugendliche sollten sich jetzt schon wehren, so dessen Vertreterin. Denn: »Jeder, der sich nicht ›kriegstüchtig‹ machen lassen will, muss mit Repression rechnen.«

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