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Hörgeräte

Von Helmut Höge
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Langsam werde ich misstrauisch: Ständig wird man aufgefordert, sich einem Hörtest zu unterziehen. An Straßenständen bekommt man Faltblätter zum Thema – und eine Tüte Gummibärchen. Man schickt mir Briefe, in denen ich aufgefordert werde, einen kostenlosen Hörtest zu machen. In den sozialen Medien wird daran erinnert, dass es 1.500 Euro Zuschuss für den Kauf eines Hörgeräts gibt – von wem? Oder dass 275 Personen gesucht werden, die »die neuesten unsichtbaren Hörgeräte testen möchten«. Hörgeräteläden eröffnen am laufenden Band. Ich habe mehrere Freunde, die sich aufgrund ihrer nachlassenden Hörfähigkeit so ein Gerät gekauft haben. Sie sind nur am Jammern, kaum einer von ihnen klemmt sich die Dinger gern ans Ohr. Im Wedding traf ich kürzlich einen Rentner, er sagte: »Meine Frau hat es nicht ertragen, dass ich den Fernseher immer lauter gestellt habe, sie hat mich gedrängt, mir so einen Apparat zuzulegen. Das habe ich getan, aber das war nischt für mich.«

Ich höre selbst immer schlechter, aber im Gegensatz zu meinen schwerhörigen Freunden macht mir das nichts. Da ich mich schon länger in der Anthropause befinde, freue ich mich sogar darüber, dass ich von dem ganzen Gequatsche und Gedudel um mich herum immer weniger mitkriege. Und wenn mich jemand in ein Gespräch verwickeln will, reicht es, wenn ich ab und zu »Hmm« sage, zustimmend nicke oder zweifelnd gucke.

Ein Bekannter auf dem Land, der gerne an städtischen Gesprächsrunden teilnimmt, kaufte sich ein Hörgerät für 8.000 Euro. Es sei das neueste und beste, sagte der Verkäufer. Doch gerade in den geliebten Gesprächsrunden erlebten seine Ohren die reine Kakophonie. Für weitere 600 Euro kaufte er sich einen kleinen Hochleistungsmikrophonwürfel, den er bei Tischgesprächen in die Mitte stellt. Dazu gehört ein fetter Kopfhörer, der einerseits die Geräusche von außen abhält und andererseits das Gesagte einigermaßen sauber auf sein Hörgerät überträgt. Was für ein Technikaufwand. »Und was hörst du nun damit?« fragte ich ihn.

Er erzählte mir von einem Verschwörungstheoretikertreffen in Pankow, wo man der Meinung war, dass Hörgeräte ein Abfallprodukt der E-Auto-Herstellung seien. Er wurde gefragt, ob er als Hörgerätenutzer dazu etwas sagen könne. Daraufhin meinte er, dass es sich genau umgekehrt verhalte: Die E-Autos seien Abfallprodukte der Hörgerätehersteller. Das hielten die Verschwörungstheoretiker für etwas abwegig, mussten aber herzlich lachen.

Es gibt Hörgeräte, die man hinterm Ohr befestigt, andere steckt man sich ins Ohr. Da sich immer mehr Smartphonenutzer Headsets ins Ohr drücken, geht man davon aus, dass In-ear-Hörgeräten die Zukunft gehört. Manche sind mit Bluetooth ausgestattet, man kann damit übers Smartphone streamen oder den Ton vom Fernseher rüberspielen. Toll.

Noch toller ist der französische Film »Schmetterlinge im Ohr«. Auf filmdienst.de heißt es: »Ein Lehrer hat seine zunehmende Schwerhörigkeit als Zustand akzeptiert, der ihm erlaubt, Lästiges einfach zu überhören und zu ignorieren.« So wie ich.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. November 2024 um 07:51 Uhr)
    Unsere Sinne sind Brücken ins Leben. Sie abzureißen oder abreißen zu lassen, weil es im Leben manchmal zu turbulent zugeht, ist eine gefährliche Scheinlösung. Ein überhörtes Warnsignal, ein nicht beachtetes Schild, ein missachteter Geruch: Sie alle können Leben oder Gesundheit kosten. Sich zurückzuziehen von der Welt ist eine seltsame Strategie, will man sie besser haben. Und was ist wirklich gewonnen, wenn man die Vögel nicht mehr singen hört, das Grün des Frühlings nicht mehr sieht oder den Duft der Rosen nicht mehr wahrnehmen kann?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. November 2024 um 23:30 Uhr)
    Hörgeräte haben zwei Seiten: Die (potentielle) TrägerIn und den (potentiellen) Ansprecher. Falls die TrägerIn angesprochen werden will, kann sie sich dem Ansprecher zuwenden und von den Lippen ablesen – ohne Elektronik. Hörgeräte verbessern das Kommunikationsergebnis nicht wesentlich. Bei einer linearen Empfindlichkeitseinschränkung von 30 oder 40 Dezibel und ohne Blickkontakt sind Hörgeräte enorm nützlich, Lästiges von Nützlichem zu trennen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. November 2024 um 15:20 Uhr)
      Lieber Heinrich H., als Hörgeräteträger weiß ich deren Hilfe seit Jahren sehr zu schätzen. Sich vorzumachen, man höre auch ohne zu hören genug, ist sicherlich tapfer. Richtig aber ist es nicht. Aber vielleicht führen wir demnächst auch mal eine Debatte ums Brilletragen? So in der Art, dass es nicht stört, wenn man die Welt nur noch verschwommen sieht? Oder ist das nicht eher eine ziemlich akademische Diskussion, wenn man den Hammer als Hilfsmittel ablehnt, weil man sich damit auch mal heftig auf den Daumen hauen kann?

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