»Die Demokratie ist nicht unbedingt bedroht«
Interview: Alex FavalliDer republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sich bei den Wahlen Anfang November mit Abstand gegen Kamala Harris von der Demokratischen Partei durchgesetzt. Hat das Wahlergebnis Sie überrascht?
Viele Wähler der Demokraten haben ein Ende des Gazakrieges gefordert. Was sie statt dessen erhielten, war die Ausweitung des Krieges. Es ist für mich offensichtlich, dass die Demokraten eine Verliererstrategie verfolgt haben. Trump ist kein Friedenspräsident, aber er war in der Lage, die Probleme zu benennen, die damit zusammenhängen, dass heimische Bedürfnisse vernachlässigt werden, um Krieg zu führen. Das wurde von der Arbeiterklasse schon wahrgenommen. Allerdings hat sich seine Stimmenzahl seit der letzten Wahl nicht wesentlich erhöht. Was wir aber schon sehen können, ist, dass es einen sehr auffälligen Rückgang bei den Stimmen für die Demokraten gab. Aber ob Trump oder Harris – die herrschende Klasse bleibt an der Macht.
Haben Gaza und die Ukraine eine so große Rolle gespielt?
Die Arbeiterklasse hat erkannt, wie viel sie mit dem Großteil der Menschen auf der Welt verbindet. Man gaukelt uns vor, dass wir es irgendwie besser haben als die Menschen in Haiti, in Afrika oder im globalen Süden. Aber wer die Realität der Armut in den USA erlebt, spürt, dass daran etwas nicht stimmt. Wie kann es sein, dass die Mehrheit der Menschen im reichsten Land der Welt nicht über die Runden kommt? Es leben 160 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, an oder unter der Armutsgrenze. Wir haben so viele soziale und wirtschaftliche Probleme, die mit den Verhältnissen in einigen Ländern des globalen Südens vergleichbar sind. Gaza hat enthüllt, wie abscheulich der US-Imperialismus ist. Mehr Menschen als je zuvor verstehen, dass der US-Imperialismus sie auch in den USA negativ betrifft. Die Menschen erkennen, dass es keinen Grund gibt, über 300 Milliarden US-Dollar in die Ukraine und mehr als 26 Milliarden US-Dollar in Israel für Krieg zu investieren, wenn die Bevölkerung zu Hause sich keine Wohnungen oder Gesundheitsversorgung leisten kann. Mit 21 Milliarden US-Dollar pro Jahr könnte man die Obdachlosigkeit hier beseitigen. Diese Verbindungen werden zunehmend hergestellt.
Sehen Sie das demokratische System in den USA bedroht?
Na ja, es gibt eine Demokratie der herrschenden Klasse und eine Demokratie des Volkes. Ich denke, letztere hat sich in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt, und die Demokratie der herrschenden Klasse hat einen Rückschlag erlitten, denn die herrschende Klasse war für Harris. Die Menschen haben aber für Trump gestimmt – der allerdings faschistische Tendenzen hat. Aber der Kapitalismus selbst hat diese Tendenzen. Wir erleben sie jeden Tag: die Überwachung, die Diktatur der Konzerne und Banken, die Verbindung zwischen den Polizeibehörden und den rechtsextremen Gruppen. Trump versucht letztlich auch nur, das zu konsolidieren, was Reagan, Clinton, Obama und Biden konsolidieren wollten – die Herrschaft von Milliardären. Wir müssen uns vom kapitalistischen System lösen und Wege finden, um ein Programm der Arbeiterklasse vorlegen zu können, das die Mehrheit der Menschen in diesem Land tatsächlich anspricht. 74 Millionen Menschen haben für Trump gestimmt. Gleichzeitig gibt es Millionen Menschen, die gar nicht gewählt haben. Die Demokratie ist nicht unbedingt bedroht, die Legitimität der herrschenden Klasse schon.
Wo sehen Sie Chancen für linke Organisationen wie Ihre?
Wir werden an die Wand gedrückt. Wenn wir überleben wollen, müssen wir uns wehren. Wir sind dabei, eine Mobilisierung mit verschiedenen Organisationen aufzubauen. Ich spreche von den Menschen, die sich für die Solidarität mit Palästina einsetzen, für die Rechte von Migranten, für Frauenrechte und für die von Gewerkschaften. Wir versuchen, eine gemeinsame Front mit Organisationen zu bilden, die aus einem breiten politischen Spektrum kommen, einige von ihnen sogar aus dem konservativen. Wir müssen in der Lage sein, uns an der Basis zu organisieren und gleichzeitig eine nationale Strategie zu haben.
Claudia De la Cruz war Kandidatin der linken Party for Socialism and Liberation für die US-Präsidentschaftswahlen im November
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