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Aus: Ausgabe vom 19.11.2024, Seite 4 / Inland
Anpassungskurs

Solidarisch für Ausschluss

Die Linke: Rechter Flügel geht gegen palästinasolidarischen Aktivisten vor
Von Susann Witt-Stahl
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Auch in der Linkspartei für manche ein rotes Tuch: palästinasolidarische Demonstranten (Berlin, 14.1.2024)

Einflussreiche Kräfte in der Linkspartei wollen offenbar aufräumen in den eigenen Reihen. Alles, was der verordneten »Zeitenwende« zur Kriegstüchtigkeit zuwiderläuft, muss raus. Vergangenen Donnerstag berichtete der Tagesspiegel unter Berufung auf »Parteikreise«, dass der ehemalige Bundesvorsitzende Martin Schirdewan und die ehemalige Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert im Oktober ein Ausschlussverfahren gegen Ramsis Kilani, Mitglied des Bezirksverbands Berlin-Neukölln, angestrengt haben. Der Aktivist gegen den Gazakrieg soll Die Linke wegen »fortgesetzter Verstöße durch öffentliche Äußerungen gegen die Grundsätze der Partei« verlassen müssen.

In ihrer Begründung beklagen Schirdewan und Schubert beispielsweise, dass sich in Kilanis Reden und Stellungnahmen kein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels finde. »Im Gegenteil. In seinem Sprachgebrauch ist Israel ein ›koloniales Gebilde‹«, heißt es in ihrem Ausschlussantrag, den jW ebenfalls aus Parteikreisen in Auszügen erhalten hat. Und weiter: »Hamas spricht er davon frei, Juden töten zu wollen, weil sie Juden sind.« Als Beleg führen die Antragsteller ausgerechnet eine Passage aus dem Hamas-Grundsatzpapier von 2017 an, die Kilani unkommentiert auf seinem X-Kanal zitiert hat, mit der Kernaussage: »Hamas führt keinen Kampf gegen die Juden, weil sie Juden sind, sondern gegen die Zionisten, weil sie Besatzer Palästinas sind.« Ferner wird Kilani das Posting eines mutmaßlich an die Parteirechte adressierten Sharepics der Organisation »Sozialismus von unten« mit der Forderung »Keine Formelkompromisse mit den Kriegstreibern!« angelastet – dieser Appell enthalte die »Unterstellung, gegen das Parteiprogramm zu agieren«, die »grob unsolidarisch und falsch« sei, finden Schirdewan und Schubert.

Übel genommen wird Kilani auch ein Interview mit jW, knapp eine Woche nach dem Berliner Landesparteitag am 11. Oktober, in dem er von einem »orchestrierten Vorgehen des rechten Parteiflügels« gesprochen hatte: Eine Reaktion auf einen Eklat um einen fragwürdigen »Gegen jeden Antisemitismus«-Antrag und eine Medienkampagne gegen linke Genossen, die die Israel-Unterstützer im Berliner Landesverband ausgelöst hatten. Schirdewan und Schubert machen aber nun ausgerechnet Kilani für den anzunehmenden »schweren Schaden« durch die »große Medienresonanz«, die er erhalten habe, verantwortlich.

»Ich bin keineswegs überrascht von diesem Angriff«, erklärte Kilani gegenüber jW. Mit der »Fokussierung auf die Tauglichkeit zur Koalition mit SPD und Grünen« gerieten »Antikriegspositionen in der Linkspartei verstärkt unter Beschuss« – besonders seit der beschleunigten deutschen Militarisierung und Unterstützung des »israelischen Völkermords in Gaza« durch die Ampelregierung mit Waffenlieferungen. »Der Ausschlussversuch gegen mich findet im Zuge steigender Repression gegen die Palästina-Solidarität statt«, meint Kilani, dessen Vater, Stiefmutter und fünf Halbgeschwister 2014 durch israelische Bomben in Gaza getötet wurden.

Kilani kritisiert »doppelte Standards« in der Partei: Während Aufrufe zu »Widerstand gegen Krieg, Besatzung und Imperialismus« sanktioniert würden, blieben Vorstöße vom rechten Parteiflügel gegen die friedenspolitischen Grundsätze der Linken stets ohne Folgen. Spitzenpolitiker wie Bodo Ramelow, auch Katina Schubert, haben medienwirksam Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet. Sorge bereiten Kilani auch Rufe nach Verboten propalästinensischer Demonstrationen, »rassistische Untertöne« sowie die Verbreitung »repressiver eindimensionaler Judenbilder« in seiner Partei: »Wer aus dem Klischee des zionistischen ›guten Juden‹ ausschert – dem wird entweder seine jüdische Identität abgesprochen, oder er wird als ›Antisemit‹ diffamiert.« Kilani will demnächst mit einer ausführlichen Erklärung an die Öffentlichkeit treten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Mathilde Furtner F. aus Berlin (19. November 2024 um 17:09 Uhr)
    Es wird für mich immer unerträglicher, wie sehr die Partei Die Linke nach rechts abdriftet. Dabei stehen ganz andere Aufgaben an. Die Situation in Europa und Nahost entwickelt sich gefährlich in Richtung Großkrieg. Statt sich für Frieden einzusetzen, liefert der Westen – einschließlich der Bundesregierung – immer mehr Waffen und beschleunigt die Eskalation durch die Erlaubnis, diese auch gegen russisches Gebiet einzusetzen. Atomwaffen werden wieder einsatzfähig gemacht. Die deutsche Regierung rüstet auf wie nie zuvor. Wir alle sollen kriegstüchtig gemacht werden. Eine »neue« Wehrpflicht droht. Das Geld für die Hochrüstung fehlt bei Krankenhäusern und Pflege, Rente und Sozialleistungen, Bildung und Kitas, Bahn und Nahverkehr. Globale Herausforderungen, die weltweit nur gemeinsam gelöst werden können, um den Generationen, die uns folgen, eine lebenswerte Welt zu erhalten, werden nicht in Angriff genommen. Wie kann man nur ein Parteiausschlussverfahren gegen einen Menschen anstreben, der sich solidarisch zu seinem palästinensischem Volk erklärt? Ramisis Kilani hat seine eigene Familie durch israelische Bomben verloren. Das ist für einen Menschen schon schwer genug zu ertragen. Schon lange nervt es mich, dass man sofort als antisemitisch diffamiert wird, sobald man etwas gegen die menschenverachtende Politik Israels sagt. Ich habe mich damit beschäftigt, was antisemitisch sein überhaupt bedeutet. Der UN-Generalsekretär António Guterres hat diese Politik Israels mit dem Krieg im Nahen Osten längst richtig beim Namen genannt. Es ist für mich ein Völkermord. Und das muss angeprangert werden! M. Furtner

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