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Aus: Ausgabe vom 19.11.2024, Seite 6 / Ausland
Senegal

Panafrikanisten vorne

Senegal: Regierungspartei bei Parlamentswahlen auf Platz eins. Viele Herausforderungen bleiben
Von Georges Hallermayer
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Setzten sich mit panafrikanischer Agenda erneut an die Spitze: Präsident Faye und Premier Sonko (auf Plakat, Dakar, 13.11.2024)

Mit einer soliden Mehrheit »das neokoloniale System transformieren« und die »Schemata der Vergangenheit brechen«. Das war das Ansinnen des neuen Präsidenten, als er im September das Parlament auflöste. Und es gelang: Am Sonntag gewann die Regierungspartei PASTEF von Präsident Bassirou Diomaye Faye und Ministerpräsident Ousmane Sonko die Parlamentswahlen im Senegal – zumindest nach eigenen Angaben. Genaue Zahlen lagen bis Montag noch nicht vor, doch Medien und Regierungssprecher beriefen sich auf das Ergebnis der Auszählung von 90 bis 95 Prozent der Stimmen.

Im März hatte Faye die Präsidentschaftswahlen gegen den langjährigen Staatschef Macky Sall gewonnen. Bei der jetzigen Wahl, einer Mischung aus Listen- und Verhältniswahl, konkurrierten nicht weniger als 41 Listen gegeneinander.

Der Hauptwidersacher, die vorherige Regierungspartei APR, hatte mit der PDS des früheren Präsidenten Abdoulaye Wade die Koalition »Takku Wallu Sénégal« geschlossen. Fayes Amtsvorgänger Macky Sall agiert dabei vom marokkanischen Exil aus mit Unterstützung der französischen Agentur »Avisa Partners«. Für ihn geht es um die parlamentarische Immunität, so die französische Zeitschrift Jeune Afrique.

Zwei weiteren Koalitionslisten, dem Zusammenschluss »Jamm Ak Jarin« des vormaligen Wirtschaftsministers und Premiers Amadou Ba und »Sam Sa Kaddu« des amtierenden Bürgermeisters von Dakar, Barthélémy Dias, wurden geringere Chancen eingeräumt. Allerdings lieferten sich ihre Anhänger in den vergangenen Wochen mit der PASTEF-Jugend Straßenschlachten. Das Hauptquartier der Koalition »Samm Sa Kaddu« wurde verwüstet und ging gar in Flammen auf. Präsident Faye musste erneut dazu aufrufen, »Gelassenheit zu zeigen, sich für den friedlichen Weg zu entscheiden und den Willen des Volkes zu akzeptieren, der an den Wahlurnen zum Ausdruck kommen wird«.

Das Programm der Gewinner der Wahl ist dem antiimperialistischen Panafrikanismus zuzuordnen und hat die politisch-ökonomische Souveränität des Landes zum Ziel. Schon im August bildete die neue Regierung eine Taskforce, die die meist hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Verträge mit ausländischen Partnern überprüfen sollte. Darunter sind solche mit der EU, China oder den USA, die vor allem die Bodenschätze des Landes betreffen und Lizenzen multinationaler Unternehmen zur Fischerei, Petroleumgewinnung und zum Bergbau umfassen.

Die senegalesische Wirtschaft ist weitgehend in französischen Händen. Dennoch plädierte Präsident Faye gegen eine Verteufelung Frankreichs. Zwar wird im neuen Schuljahr in der Grundschule in lokaler Sprache unterrichtet, doch in der weiterführenden Schule bleibt nach wie vor Französisch Unterrichtssprache. Seit vergangenem Donnerstag kann jedoch die offizielle Webseite des Präsidenten in vier Sprachen aufgerufen werden: Französisch, Wolof, Englisch und Arabisch.

Als jüngst die Staatskassen überprüft wurden und angeprangert wurde, dass das Haushaltsdefizit um mehrere Milliarden kleingerechnet worden war, war dies vor allem ein Seitenhieb gegen Expräsident Sall. »Wohin sind die Dollar des Weltwährungsfonds verschwunden?« fragte selbst Jeune Afrique in der vergangenen Woche. So musste der Weltwährungsfonds mit einem neuen Überbrückungskredit von 1,9 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro) einspringen.

Darüber hinaus steht die Regierung vor weiteren Herausforderungen: Preiskontrollen gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, eine Konsolidierung der Finanzen, eine Reduzierung der Abhängigkeit vom Franc CFA und die Aufarbeitung der Korruption. Um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, wurde der Export von Erdnüssen ab dem 15. November bis auf weiteres verboten. Außerdem sind 56.000 Menschen nach Überschwemmungen im Oktober auf Hilfe angewiesen.

Noch eine Baustelle: die Region Casamance im Süden des Landes. Seit Jahrzehnten wird dort gegen die neokolonialen Zentralregierungen rebelliert. Premierminister Sonko, gewählter Bürgermeister der Provinzhauptstadt Ziguinchor, konnte das Feuer der Separation löschen und eine Friedensvereinbarung mit der militanten Gruppe MFDC schließen. Doch im Oktober goss die Französin Séverine Awenengo Dalberto mit einem Buch über »Die Idee einer autonomen Casamance« Öl ins Feuer und ließ die Debatte für mehr Selbstbestimmung der Region erneut hochkochen.

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