Kriegskongress in der Hauptstadt
Von Jakob ReimannDie schmierige Schnittmenge aus Politik, Militär, Industrie und kriegerischen Denkfabriken: Über 140 – mehr oder minder prominente – Vertreter genannter Branchen folgten dem Kriegsgeheul und versammelten sich am Montag und Dienstag zur mittlerweile 23. »Berlin Security Conference« (BSC) im edlen Vienna House Andel’s Berlin zum bellizistischen Stelldichein. Die BSC gehört zu den größten Kriegskonferenzen in Europa und holt in ihrer Bedeutung immer mehr zur bekannteren Münchner »Siko« auf. Zu den Industriepartnern gehörten auch in diesem Jahr das Who’s who der weltweiten Rüstungsschmieden. Um sich auf den Korpsgeist der Konferenz einzustimmen, spielte das Stabsmusikkorps Berlin nach dem ersten Tagespunkt – dem Women’s Breakfast – zur Eröffnung »Nationalhymnen«, verrät das Programm.
Auf verschiedenen Fachpanels diskutierten die Experten über Themen wie die Militarisierung des Weltalls, »Heimatverteidigung«, den »Einsatz von KI im Militär«, »Frauen in der internationalen Sicherheit« und darüber, wie man optimal »die Luftstreitkräfte auf den Krieg vorbereiten« könne. Glänzte die erste Regierungsriege anders als in den vergangenen Jahren mit Abwesenheit, waren mit der parlamentarischen Staatssekretärin, Siemtje Möller, und dem ehemaligen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, zwei SPD-Vertreter aus der zweiten Reihe der Nochkanzlerpartei auf den BSC-Bühnen vertreten. Auf einem von dem grünen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, geleiteten Panel war unter anderem ein Mitglied der israelischen Botschaft vertreten – und damit ein Vertreter eines Staates, gegen den am IGH wegen des Vorwurfs des Völkermords verhandelt und gegen dessen Premier vom Chefankläger des IStGH ein Haftbefehl ersucht wird.
Am Dienstag abend brachte ein Bündnis verschiedener linker Gruppen den Widerstand gegen die Kriegstreiberei im Andel’s lautstark auf die Straße. Rund 250 Personen protestierten unter der Losung: »No BSC 2024! Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt!« Aufgerufen hatten unter anderem die North East Antifa, die SDAJ und die Berliner Ableger von Linksjugend Solid und »Rheinmetall Entwaffnen«. Kälte und Regen zum Trotz versammelten sich die Demonstranten am Abend unweit vom S-Bahnhof Landsberger Allee, um den im wohlig Warmen bei Häppchen und Drinks über effektive Nutzbarmachung von Kriegen und Krisen schwadronierenden Konferenzteilnehmern Ablehnung und Widerspruch entgegenzusetzen. Flaggen von DKP, Young Struggle und SDAJ waren dort zu sehen, ebenso viele Schilder und Plakate mit Aufschriften wie »Wie viele Milliarden noch fürs Töten?« oder »Stoppt die Mörderbande!«. In Demogesängen und in den Reden wurde auch der brutale Krieg Israels gegen die Zivilbevölkerung in Gaza und Libanon thematisiert, auch ein propalästinensischer Block war im Demozug vertreten. Von seiten der Polizisten gab es kleinere Provokationen. Mehrfach wurden die Beamten vom Lautsprecherwagen aus aufgerufen, den Demonstrierenden »nicht auf die Pelle zu rücken«. Die Demo verlief bis zum Schluss friedlich und wurde jedoch mehrere Male von der Polizei festgesetzt.
»In Zeiten einer zunehmenden Militarisierung und Aufrüstung«, erklärt eine Sprecherin der North East Antifa am Mittwoch gegenüber junge Welt, »halten wir es für notwendig, dem endlich wieder eine starke antimilitaristische, linke Bewegung entgegenzusetzen«. Das Thema Frieden dürfe »nicht den Rechten und ihren vermeintlichen Lösungen überlassen werden«; denn »Ausgrenzung, Rassismus und nationalistische Ideen« hätten keinen Platz in der Friedensbewegung, die sich »in diesem Kampf klar antifaschistisch positionieren« müsse. Stanislav Jurk von der Linkspartei Tempelhof-Schöneberg zeigte sich erfreut über die große Präsenz junger Leute; dies sei »eine unglaubliche Bereicherung und macht Mut für die Zukunft«. »Deutschland gehört zu den fünf größten Rüstungsexporteuren der Welt«, machte der Berliner Ableger von »Rheinmetall Entwaffnen« gegenüber junge Welt die globale Bedeutung deutscher Rüstungskonzerne deutlich. »Mittlerweile wird auch ganz offiziell in Kriegsgebiete geliefert«, dies sei »ein Mordsgeschäft« und die Losung »Kriege beginnen hier« daher »keine platte Parole, sondern Realität«, so die Gruppe. Die fortgesetzte »Erhöhung des Militäretats« werde mit massiven Einschnitten im Sozialsystem einhergehen. All diese Entwicklungen sehe die Gruppe daher als Bestärkung der Liebknecht’schen Losung: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!«
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