»Zustand der Wälder wird immer schlechter«
Interview: Gitta DüperthalDie EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte, EUDR, soll um ein Jahr aufgeschoben werden. Das hat das EU-Parlament Ende vergangener Woche beschlossen. Was bedeutet das für den Schutz der Regenwälder?
Am vergangenen Donnerstag stimmte eine Mehrheit des EU-Parlaments für eine Verschiebung der Entwaldungsverordnung um ein Jahr. Der Aufschub bedeutet, dass ein Jahr lang quasi einfach weiter gerodet werden kann, ohne diese gesetzliche Regelung zu beachten. Eigentlich soll diese den Verkauf von Produkten untersagen, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt worden waren. Mit der Verzögerung der Verordnung für entwaldungsfreie Produkte nimmt die EU nun billigend in Kauf, dass die weltweite Entwaldung durch den Konsum von Produkten wie Kaffee, Kakao, Palmöl und Holz in der EU weiter voranschreiten kann. Pro Minute wird eine Waldfläche der Größe eines Fußballfeldes zerstört. So werden die Klimakrise und die weltweite Erwärmung weiter ansteigen.
Wer hat das innerhalb der EU politisch zu verantworten?
Das Gesetz ist zwar schon in Kraft, jedoch läuft noch die Umsetzungsfrist. Die Kommission, mit Ursula von der Leyen an der Spitze, hat den Vorschlag gemacht, diese Frist zu verlängern. Weil Unternehmen produzierender und abnehmender Staaten sich angeblich noch nicht darauf einrichten könnten, was die Umsetzung künftiger Regelungen für sie bedeutet – aus unserer Sicht freilich auch, weil die Kommission Leitlinien dafür lange zurückhielt. Abgeordnete der konservativen Europäischen Volkspartei und Fraktionen rechts von ihr stimmten zugleich für eine Abschwächung, die zahlreiche Länder als Regionen »ohne Risiko« von den Vorschriften ausnehmen soll. Das von Cem Özdemir von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium in Deutschland hätte mehr Druck machen müssen, um den »Entwaldungsfußabdruck« der EU zu reduzieren. Schließlich haben wir gerade in Deutschland und Europa große Probleme mit Waldschädigung. Der Zustand der Wälder wird immer schlechter.
Umweltschutzorganisationen wie »Robin Wood« und die »Deutsche Umwelthilfe« fordern schon lange: Händler sollten betroffene Rohstoffe und Produkte nur einführen, wenn sie »entwaldungsfrei und legal erzeugt wurden«. Wie sollten aus Ihrer Sicht Verbraucher damit umgehen? Sollten wir künftig auf Kaffee verzichten?
Es geht weniger um individuelle Lösungen. Klar können wir weiter Kaffee trinken. Allerdings könnten wir den eigenen Konsum überdenken: Muss es immer mehr von allem sein? Als Gesellschaft sollten wir gegen Entwaldung kämpfen und entsprechende rechtliche Regelungen aufstellen. Denn nur so können auch Landrechtskonflikte aus der Welt geschafft werden, die auf Agrarflächen in Ländern des globalen Südens immer wieder auftreten. Oft bekommt die lokale Bevölkerung ihr Recht auf das Land in der Region nicht mehr anerkannt. Die Zugangs- und Besitzverhältnisse für Land und Wasser von Kleinbauern sind weder eindeutig noch verbindlich vertraglich geregelt, obwohl sie meist das Land seit Generationen nachhaltig bewirtschaften. Die Folgen dieser Situation sind weitreichend: Ist nicht klar, wem das Land gehört, nutzen es internationale Großkonzerne. Sie beuten Ressourcen aus, schädigen bislang noch intakte Naturlandschaft und treten die Menschenrechte der dort ansässigen Bevölkerung mit Füßen.
Bereits bei der Klimakonferenz in Glasgow 2021 hatten Staaten sich zum Ziel gesetzt, die Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen. Ist das zu schaffen?
Wohl kaum, wenn ständig etwa Autobahnen oder Ölfelder in Naturschutzgebieten geschaffen werden. Es kann nicht sein, nur kurzfristig wirtschaftliche Vorteile zu wollen. Eine Umfrage des britischen Marktforschungsinstituts Savanta, die in sieben europäischen Ländern durchgeführt wurde, zeigt: 73 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Kampf gegen die Entwaldung eine der wichtigsten Prioritäten für die EU sein sollte. Dieses Gesetz durchzubringen, ist wichtig.
Fenna Otten ist Tropenwaldreferentin bei »Robin Wood«
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