Nestlé poliert Image
Von Dominic ItenDer Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé ist Kritik gewohnt. Seit vielen Jahren beutet er Wasserressourcen aus, ist aggressiver Vermarkter von Babynahrung im globalen Süden, verletzt Menschenrechte, profitiert von Kinderarbeit in seinen Lieferketten, verschmutzt die Umwelt, ist in Preisabsprachen verwickelt und betreibt »Union Busting«. Unerfreulich, aber irgendwie muss ein Jahresumsatz von 93 Milliarden Schweizer Franken (2023) ja erreicht werden.
Dieses Mal hat Nestlé aber nicht mit Umweltschützern oder Gewerkschaften zu kämpfen, sondern mit enttäuschenden Geschäftszahlen und sinkenden Aktienkursen. Bereits im Sommer dieses Jahres war von einer krisenhaften Entwicklung an der Börse die Rede, vor wenigen Tagen meinte die Fachzeitung Finanz und Wirtschaft, es brauche nun »eine Serie von überraschend guten Resultaten, um die Investoren zurückzugewinnen«. Von einer Krise zu reden, scheint allerdings etwas drastisch, fallen die Profite doch nur etwas weniger hoch aus als erwartet: Die Dividendenrente beläuft sich immer noch auf stolze vier Prozent.
Beschäftigte zahlen Zeche
Angesichts sich verdüsternder Prognosen hat der Konzern vor wenigen Monaten überraschend seine Führung ausgewechselt. Nach acht Jahren an der Spitze trat Mark Schneider als CEO zurück, am 1. September übernahm Laurent Freixe. Über den Betriebswirtschaftler, der mit 24 Jahren in den Marketing- und Verkaufsbereich bei Nestlé einstieg, ist sonst nur wenig bekannt. Am gestrigen Mittwoch präsentierte er seine Strategie, die Nestlés Aktienkurse wieder in die gewünschten Höhen treiben soll.
»Forward to Basics«, heißt die Losung, die Freixe gemeinsam mit dem Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke präsentierte. Mit starkem Marketing, einem Fokus auf die Kunden und Wiedergewinnung von Marktanteilen soll Nestlé zu alter Stärke zurückfinden. Hinter diesen Floskeln verbirgt sich eine handfeste Strategie: Erstens, eine totale Kostenreduktion um 2,5 Milliarden Schweizer Franken; zweitens, die Erhöhung des Marketingbudgets auf neun Prozent des Umsatzes; drittens, die Überführung des Wassergeschäfts in einen eigenständigen Geschäftsbereich.
Klingt harmlos, ist es aber nicht. Freixes Kürzungsplan deutet auf Stellenabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen hin. Ein altbekanntes Muster: Wenn Renditeziele verfehlt werden, wenn es gilt, Anleger zu beschwichtigen oder neue Investoren anzuziehen, zahlen die Beschäftigten die Zeche. Gesteigerter Mehrwert für Nestlé, Lohnkürzung oder Arbeitsplatzverlust für die Arbeiter. Eine Rechnung, die insbesondere die vielen Produktionsstätten im globalen Süden hart treffen könnte.
Schönen und blenden
Die Erhöhung des Marketingbudgets hingegen ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass Unternehmen wie Nestlé nicht daran interessiert sind, den tatsächlichen Gebrauchswert ihrer Produkte zu verbessern, sondern lediglich ihren Tauschwert zu maximieren. Nestlé hat verstanden: Wasser ist nicht einfach Wasser. Privatisiert, abgefüllt und klug vermarktet, lassen sich damit fette Profite machen.Mit der angekündigten Ausgliederung des Wassergeschäfts will sich der Nahrungsmittelkonzern mehr Spielraum für künftige unternehmerische Entscheidungen verschaffen. Eigenständige Geschäftsbereiche sind einfacher zu handhaben. Die Isolierung des stark in der Kritik stehenden Wassergeschäfts schützt zudem die Marke Nestlé.
Freixe hat die voraussichtliche Gewinnmarge von 17.5 bis 18.5 auf 17 Prozent korrigiert. Unmittelbar zuvor hatten Investoren skeptisch auf die verschlechterte Prognose und die angekündigte Umstrukturierung reagiert. Der Aktienkurs brach am Dienstag weiter ein. Doch mittel- bis langfristig dürften die Anleger beruhigt sein: Die gesamte Strategie des neuen Nestlé-Chefs ist offensichtlich darauf ausgerichtet, ihre Erwartungen zu erfüllen.
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