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Aus: Ausgabe vom 22.11.2024, Seite 1 / Titel
Gazakrieg

Gerechtigkeit in Sicht

Nahost: Strafgericht erlässt Haftbefehle gegen Netanjahu, Gallant und Hamas-Kommandeur Masri. Tel Aviv verstärkt Angriffe auf Syrien
Von Wiebke Diehl
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Mal eine gute Nachricht: Der »Schlächter von Gaza« könnte zur Verantwortung gezogen werden (New York, 26.9.2024)

Seit Mai hat die Welt darauf gewartet: Am Donnerstag gab der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nun endlich dem Antrag von Chefankläger Karim Khan auf Erlassung von Haftbefehlen in Zusammenhang mit dem Gazakrieg statt. Die Vorverfahrenskammer des Gerichts befand, es gebe hinreichenden Verdacht, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein früherer Verteidigungsminister Joaw Gallant als Mittäter die strafrechtliche Verantwortung für »das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegführung und die Verbrechen gegen die Menschheit des Mordes, der Verfolgung und anderer unmenschlicher Handlungen« trügen.

Die Kammer wies von israelischer Seite angemeldete Zweifel an der Zuständigkeit des IStGH zurück. Eine Anerkennung des Weltstrafgerichts durch Israel sei nicht erforderlich, da es seine Zuständigkeit aufgrund der territorialen Zuständigkeit Palästinas ausüben könne. Ein weiterer Haftbefehl wurde gegen den Kommandeur der Kassam-Brigaden, des militärischen Flügels der Hamas, Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (»Mohammed Deif«) erlassen. Da die Behauptung Tel Avivs, dieser sei im Juli bei einem Angriff im Gazastreifen getötet worden, nicht unabhängig zu überprüfen sei, hält das Gericht an dem Haftbefehl gegen Al-Masri fest. Chefankläger Khan hatte im Mai außerdem beantragt, Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen gegen den Chef des Politbüros der Hamas, Ismail Hanija, und den damaligen Chef der Hamas im Gazastreifen, Jahja Sinwar, zu erlassen. Beide wurden inzwischen von der israelischen Armee getötet: Hanija Ende Juli in Teheran und Sinwar im Oktober im Gazastreifen.

Netanjahu bezeichnete die internationalen Haftbefehle gegen sich und Gallant als »antisemitische Entscheidungen«, die von »voreingenommenen Richtern« getroffen worden und von »Hass gegen Israel getrieben« seien. Es gebe »nichts Gerechteres als den Krieg, den Israel im Gazastreifen führt«. Die Hamas sprach derweil von einem »wichtigen historischen Präzedenzfall« und der »Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk«. Darüber hinaus rief sie den IStGH auf, die Ermittlungen auf »alle kriminellen Anführer der Besatzung« auszuweiten. Theoretisch sind die 124 Mitgliedstaaten des IStGH jetzt verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Staatsgebiet aufhalten. Dies gilt zum Beispiel für Reisen Netanjahus und Gallants in die EU. Die USA hingegen haben genau wie Israel das Römische Statut nicht ratifiziert.

Die israelischen Kriegsverbrechen beschränken sich keinesfalls auf die besetzten palästinensischen Gebiete. Besonders im Libanon, aber auch im Jemen, in Syrien und im Iran werden Zivilisten durch Bombardierungen und im Libanon auch mittels einer Bodenoffensive getötet, vertrieben und verletzt. In Syrien, das Israel in den vergangenen Wochen immer häufiger bombardiert, starben am Mittwoch in Palmyra mehr als 50 Menschen, wie die syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete. Andere Quellen sprechen von bis zu 80 Toten. Die Wüstenstadt gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Ausgeführt wurde der Angriff aus dem Luftraum der US-amerikanischen Militärbasis Al-Tanf an der syrisch-irakisch-jordanischen Grenze. Dort bilden US-Besatzungssoldaten laut syrischen und russischen Offiziellen Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats und anderer extremistischer Gruppen aus.

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