Bis zum traurigen Ende
Von Kristian StemmlerIn der SPD verstärken sich die Rufe, die Debatte über den Kanzlerkandidaten, mit der die Partei ihren Bundestagswahlkampf eingeläutet hat, nach der Rückkehr des Bundeskanzlers vom G20-Gipfel in Rio de Janeiro schnellstmöglich zu beenden. Nachdem zuletzt die Anhänger einer Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius in die Offensive gegangen waren, forderten am Donnerstag mehrere Parteiprominente eine schnelle Entscheidung für Scholz. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte am Mittwoch zwar eine zügige Entscheidung angekündigt, einen genauen Termin aber offengelassen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warf sich am Donnerstag erneut für Scholz in die Bresche. Er sei »der klassische Kandidat«, erklärte er im ARD-»Morgenmagazin«, zudem ein »sehr guter Wahlkämpfer«, der ein »sehr gutes Ergebnis bringen wird«, so Lauterbach weiter. Scholz müsse jetzt schnell als Kandidat bestätigt werden. Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze verlangte rasche Klarheit, wollte sich aber auf keinen Kandidaten festlegen. »Ich möchte die öffentliche Debatte nicht«, sagte sie im Deutschlandfunk. Sie sei davon überzeugt, dass die SPD »eine wirklich gute Entscheidung« treffen werde.
Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer trommelte für eine Kandidatur von Scholz – und das gleich in mehreren Medien. Gegenüber dem Tagesspiegel forderte er das SPD-Präsidium auf, »sich sofort per Beschluss zur Kandidatur von Olaf Scholz zu bekennen«. Jede weitere Stunde ohne Entscheidung schade der Partei. Dem Spiegel sagte Schäfer, die Entscheidung müsse sofort fallen: »Das duldet keinen Tag Aufschub«. Im Deutschlandfunk hatte er am Mittwoch abend betont, es werde »keinen Kanzlersturz in der SPD geben«. Alle amtierenden SPD-Kanzler seien auch wieder als Spitzenkandidaten aufgestellt worden, und das sei »auch richtig so«, erklärte der Abgeordnete mit Blick auf Scholz’ Amtsvorgänger Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Das Risiko einer Pistorius-Kanidatur solle die SPD nicht eingehen, sagte Schäfer. Er erinnerte an die kurzfristige Nominierung des »überaus populären Martin Schulz«. Das »traurige Ende« sei bekannt. Schulz, der 2017 zu Beginn seiner Kandidatur als Heilsbringer gefeiert worden war, führte die SPD schließlich zum bis dahin schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Seine anfängliche »Popularität« erwies sich als reines Strohfeuer.
Auch Schäfers Fraktionskollege Ralf Stegner plädierte für eine schnelle Entscheidung. »Wir sind in einer extrem schwierigen Lage«, sagte er dem Spiegel. Die werde nicht besser, je länger die Unklarheit andauere. Die Partei sei verunsichert und brauche ein eindeutiges Signal, dass Scholz der Kanzlerkandidat sei. Vom »angeblichen Gegenkandidaten« wünsche er sich die klare Aussage, »dass er nicht zur Verfügung steht«, sagte Stegner Richtung Pistorius. Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci sprach sich ebenfalls für Scholz aus. Dieser sei »klug, erfahren, verlässlich«, sagte Castellucci den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Man könne froh sein, so einen Kanzler in diesen Zeiten zu haben.
Beim Noch-Koalitionspartner der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, hat man keine Präferenz, wer für die SPD antreten soll, jedenfalls keine, die öffentlich benannt wird. Der frisch gekürte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck erklärte zu dem Thema am Rande eines Handelsministertreffens in Brüssel laut dpa, er trete »auch gar nicht gegen jemanden an, sondern für uns und für mich«. Zudem betonte Habeck, es sei seine politische Linie, »dass ich gut über uns rede und über unsere Projekte und nicht schlecht über die anderen«.
Spätestens bis zur Adventszeit muss die SPD sich auf jeden Fall festgelegt haben. Am Sonnabend kommender Woche, dem Tag vor dem 1. Advent, will die Partei nämlich ihren Kandidaten auf einer »Wahlsiegkonferenz« erstmals groß präsentieren und den Wahlkampf einläuten. Am Wochenende davor findet der Bundeskongress der Jusos statt. Die SPD-Spitze dürfte in den nächsten Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um eine Entscheidung zu treffen. Sie hat wiederholt ihre Unterstützung für Scholz bekräftigt, eine offizielle Nominierung als Kanzlerkandidat ist bisher aber nicht erfolgt. Mit Verweis auf »hohe Beliebtheitswerte« in Umfragen hatten sich diverse SPD-Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene für eine Kandidatur von Pistorius ausgesprochen, der ersichtlich auch von einigen Medien präferiert wird. Pistorius hatte es bei einer Veranstaltung in Passau am Montag abend nicht ausgeschlossen, für die SPD als Kanzlerkandidat ins Rennen zu gehen.
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