Azubis in Drecksbuden
Von Niki UhlmannImmobilienkonzerne treiben seit Jahren die Mietpreise in der BRD in die Höhe. Betroffen sind besonders, aber nicht nur die Metropolen. Wie die DGB-Jugend Sachsen in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie zeigte, trifft der Mietwucher auch Auszubildende. Die arbeiten zwar genauso hart wie alle anderen, bekommen dafür aber weniger und müssen zusehen, wie sie über die Runden kommen.
Über die Hälfte der rund 500 befragten Azubis ist mit ihrer Wohnsituation unzufrieden, ein Drittel sogar sehr unzufrieden. Ausschlaggebender Faktor ist wie so oft der Geldbeutel. Ganze 48 Prozent des Einkommens drückt die Hälfte der Befragten, die eine eigene Wohnung oder Wohngemeinschaft überhaupt finanzieren kann, monatlich für die Miete ab. Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass die private Lebensführung bereits erheblich eingeschränkt ist, wenn nur ein Drittel des ohnehin niedrigen Einkommens vom Vermieter eingezogen wird. Darum überrascht es nicht, dass 44 Prozent aller Befragten und ganze 84 Prozent der Befragten unter 21 Jahren noch bei den Eltern leben. Auch Wohnheime schaffen kaum Abhilfe. Dort leben knapp fünf Prozent der Befragten, die die unzufriedenste Gruppe (77 Prozent) darstellen. Die Wohnheime würden drei Personen in kleine Zimmer pferchen, jeder Person 500 Euro abverlangen und keine Küche sowie »lediglich ein Gemeinschaftsbad für alle Personen eines Geschlechts« zur Verfügung stellen, sollen Befragte geklagt haben. Die Azubis wünschen sich mehr Zuschüsse samt besserer Beratung, barrierefreien und günstigeren Wohnraum, wie immer eine höhere Ausbildungsvergütung und besseren Nahverkehr bei Berufsschule, Betrieb und Wohnheim.
»Es ist alarmierend, dass Auszubildende fast die Hälfte ihrer Ausbildungsvergütung ausgeben müssen, wenn sie in einer Wohngemeinschaft oder einer eigenen Wohnung leben wollen«, kommentiert Markus Schlimbach, Vorsitzender des DGB Sachsen, in der zugehörigen Pressemitteilung. Besonders armen jungen Erwachsenen bliebe der Start eines »eigenständigen Lebens« mit Beginn der Ausbildung verwehrt. »Hier muss die neue Regierung aktiv werden, indem bezahlbare Wohnangebote für Auszubildende geschaffen werden.« Vincent Seeberger, Jugendsekretär des DGB Sachsen, ergänzt: »Die Fördermittel aus dem Programm ›Junges Wohnen‹ müssen zukünftig immer zur Hälfte für Azubiwohnen eingesetzt werden.« Die Miete in Azubiwohnheimen dürfe nicht mehr als 25 Prozent der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung betragen. Konsequent umgesetzt hieße das Wohnen für 266 Euro im Monat. Gegenüber junge Welt sagte Seeberger: »Wir sind mit unseren Forderungen bereits auf das sächsische Kultusministerium zugegangen, wurden aber ignoriert.«
Aus dem Bundestopf »Junges Wohnen« wurden 2024 erstmals Wohnheime für Auszubildende in Sachsen finanziert. 16 Millionen Euro förderten den Bau von 191 neuen Wohnheimplätzen und die Sanierung von 204 bestehenden, hieß es im September in einer Pressemitteilung des sächsischen Kultusministeriums. Dessen Chef Wilfried Kühner prahlte: »Wir leisten hier einen wichtigen Beitrag, um künftige Fachkräfte in Sachsen zu halten und ihnen gute Lern- und Lebensbedingungen zu schaffen.« Für die 50.000 Auszubildenden in Sachsen (Stand 2023) muss das wie ein schlechter Witz klingen: Wofür die jungen Mieter monatlich Mondpreise hinblättern, ist hinlänglich bekannt. Vor gut einem Jahr berechnete die NGO Finanzwende, dass im finanzialisierten Sektor der Immobilienwirtschaft etwa 44 Prozent der Miete direkt an die Aktionäre abgeführt werden. Pi mal Daumen landet also ein Viertel der kumulierten sächsischen Ausbildungsvergütungen über den Kapitalmarkt vermittelt bei Anlegern aus aller Welt. Im Kapitalismus arbeitet Geld einfach härter als die Generation Z. Dagegen wird auch die neue Landesregierung Sachsens machtlos sein.
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