Untersuchung unerwünscht
Von Knut MellenthinIsraels Premierminister Benjamin Netanjahu will angeblich die Einsetzung einer staatlichen Untersuchungskommission zu den Vorgängen am 7. Oktober 2023 und ihrer Vorgeschichte verhindern. Statt dessen soll sich damit ein »politischer Ausschuss« beschäftigen, dessen Vorsitz von je einem Abgeordneten der Regierungskoalition und der Opposition geführt werden soll. Diesem Ausschuss sollen unter anderem auch hochrangige Funktionäre des Sicherheitsapparats angehören. Das meldete der israelische Privatsender Kanal 13 am Mittwoch. Eine Bestätigung dieser Darstellung oder ein Dementi gab es zunächst nicht.
Im selben Zusammenhang berichtete Ynetnews vom Entwurf eines Gesetzes, das jede andere Untersuchung zum 7. Oktober verbieten soll. Die Website ist die englischsprachige Onlineausgabe der meistverkauften israelischen Tageszeitung Jediot Acharonot.
In der Vergangenheit hatte Netanjahu mehrmals die Einsetzung einer staatlichen Untersuchungskommission zum 7. Oktober abgelehnt. Er begründete das mit dem nunmehr schon seit über 13 Monaten stattfindenden Krieg, dessen Ende abgewartet werden müsse. Die Tageszeitung Israel Hajom hatte Anfang November erstmals von der Absicht des Premierministers berichtet, statt dessen einen »Sonderausschuss« einzusetzen. Dieser hätte weniger Rechte als eine staatliche Untersuchungskommission. Außerdem würde eine solche Kommission nach traditioneller Praxis von einem ehemaligen Mitglied des Obersten Gerichtshofs geleitet. Die Wahl könnte auf Esther Chajut fallen, deren Amtszeit als Präsidentin dieser Institution im Oktober 2023 altersbedingt endete. Sie hat sich Netanjahu mit ihrer deutlichen Kritik an der von ihm und seiner Regierung vorangetriebenen »Justizreform« zum Feind gemacht.
Gleichzeitig schmort der Skandal um das »Leak« aus dem Büro des Premierministers weiter vor sich hin. Einer von Netanjahus engen Mitarbeitern, Eliezer Feldstein, soll streng vertrauliche Dokumente der israelischen Streitkräfte (IDF) illegal entwendet und zur Veröffentlichung an das deutsche Boulevardblatt Bild weitergereicht haben. Als mutmaßlichen »Hauptkontaktmann« zu dem Springer-Blatt nannte die weit rechts agierende Jerusalem Post am Dienstag Srulik Einhorn, der früher enge Beziehungen zu Netanjahu und dessen Likud-Partei gehabt habe. Gegenwärtig arbeite er als »Berater für Weltführer und Geschäftsleute weltweit«. Am 1. Oktober hatte die Jerusalem Post Einhorn als »strategisches Mastermind hinter Netanjahus Erfolg« bezeichnet.
Bei dem »Leak« geht es hauptsächlich um ein Papier, das die IDF angeblich im Gazastreifen auf einem Computer gefunden haben, der dem inzwischen getöteten Hamas-Chef Jahja Sinwar zugeordnet wird. Das Dokument soll beweisen, dass nicht Netanjahu, sondern die Hamas für die Vereitelung eines Gefangenenaustausches verantwortlich war. Ganz in diesem Sinn kommentierte Bild das ihr »exklusiv« überlassene Papier.
Außer Feldstein wurden vier weitere Personen, angeblich aus dem Sicherheitsbereich der IDF, festgenommen. Am Donnerstag wurde er von der Staatsanwaltschaft wegen schwerer Schädigung der Staatssicherheit angeklagt. Vorgeworfen werden ihm laut Times of Israel die Weitergabe von Verschlusssachen mit der Absicht, dem Staat zu schaden, der illegale Besitz von Verschlusssachen und Behinderung der Justiz.
Inzwischen ist ein weiterer Skandal aus dem Büro des Premierministers hinzugekommen: Netanjahus Bürochef Tzachi Braverman wird, wie am Donnerstag vor einer Woche erstmals gemeldet wurde, der Fälschung und des Betruges verdächtigt. Er soll nachträglich die Zeitangabe eines Telefonprotokolls vom 7. Oktober 2023 geändert haben. Nach Darstellung israelischer Medien hatte Netanjahus damaliger Militärsekretär Avi Gil seinen Chef morgens um 6.29 Uhr angerufen, um ihn über den beginnenden Angriff der Hamas zu informieren. Der Premier habe Gil abgewimmelt und ihn aufgefordert, sich zehn Minuten später wieder zu melden. Diesen erneuten Anruf um 6.40 Uhr soll Braverman auf 6.29 Uhr umdatiert haben.
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