Bock und Gärtner
Von Felix BartelsDie Konstruktion der Dekonstruktion nimmt Gestalt an. Was Trump als »Abteilung für Regierungseffizienz« angekündigt hatte, haben die berufenen Revisoren, der Multimilliardär Elon Musk und der 600 Millionen schwere Vivek Ramaswamy, nun erstmals öffentlich angerissen. Die meisten Rechtserlasse, schreiben sie im Wall Street Journal, werden am Kongress vorbei etabliert. Gut gebrüllt, bloß: In seinen vier Jahren hat Trump 220 präsidiale Verordnungen vorbei an den gewählten Kammern erlassen, sein Nachfolger Biden 106.
Dass es einen bürokratischen Apparat gibt, ist vielmehr technisch denn politisch begründet. Zur Rhetorik der US-Rechten gehört jedoch, aus dieser technischen Frage eine politische zu machen, etwa durch die Erzählung vom Deep State. Diese Vorstellung einer nicht legitimierten Elite, die tief in den Gefechten des Staatsapparats sitzend das Land steuert, ist offensichtlich projektiv, denn ihrerseits ein solches Geflecht zu etablieren hat das Trump-Racket bereits während der ersten Amtsperiode versucht, mit dem einen Unterschied, dass dabei insgesamt eine Verlagerung von der Bundesebene auf die bundesstaatliche Ebene angestrebt wurde. Auch im Beitrag ist vom »Abbau von Bundesvorschriften« die Rede. Was nicht unwesentlich ist – es ermöglicht, die Etablierung einer eigenen Elite als Abbau behördlicher Strukturen zu verkaufen.
Entsprechend tatkräftig geben sich Musk und Ramaswamy. Als Unternehmer, nicht Beamte, wollen sie mehr tun, als Berichte schreiben. Das paradoxe Ressentiment des kleinen Mannes gegen die von seinen Steuergeldern bezahlten Bürokraten, die zugleich zu wenig und zu viel tun, kommt hier zur Geltung. Die Autoren klingeln mit Worten: »schlankes Team«, »small government«, »Aufhebung von Vorschriften«, »Verringerung der Verwaltung«, »Kosteneinsparungen«. Hört sich gut an, solange man nicht über Inhalte nachdenkt.
Den zehntausenden Beamten, denen Entlassung droht, geben die Autoren warme Worte auf den Weg. Man werde ihnen den »Übergang in den Privatsektor erleichtern«. Etwa 500 Milliarden US-Dollar sollen eingespart werden. Das bezieht auch den Abbau von Subventionen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk und »progressive Gruppen« ein. Hinter dem vermeintlich indifferenten Spardiktat verbirgt sich eine politische Agenda. Was der Staat bei den Einnahmen (Steuern) liegen lässt, soll er durch Kürzungen der Ausgaben (gemeinnützige Zwecke) wieder rausholen.
Aufschlussreich ist der Beitrag nicht nur als Absichtserklärung, er taugt zugleich als Lehrstück für ideologische Verklärung. Hinter der Staatsparanoia steht das Interesse einer besitzenden Klasse, die glaubt, den Staat nicht zu benötigen, um zu regieren. Nichts neues so weit. Dem Staat, schrieb Peter Hacks 1988, werde immer wieder entgegnet, er »solle doch besser nicht jede Einzelheit regeln. Aber was der Staat nicht regelt, regeln andere. Der Irrtum der Staatsängstlichen besteht in der Annahme, dass, wo der Staat nicht ist, die Freiheit sein müsse. In Wirklichkeit sind dort die Böcke, die dort die Gärtner sind«.
Nuff said.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Ausland
-
Pentagon: Atomkrieg »akzeptabel«
vom 22.11.2024 -
Schwarzes Bewusstsein
vom 22.11.2024 -
Untersuchung unerwünscht
vom 22.11.2024 -
Raketentest am Feind
vom 22.11.2024 -
Veto gegen »Blauhelme«
vom 22.11.2024