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Aus: Ausgabe vom 22.11.2024, Seite 7 / Ausland
Haiti

Veto gegen »Blauhelme«

Haiti: US-Antrag auf neue UN-Truppe abgelehnt. Gewaltexzesse auch gegen Hilfsorganisationen
Von Volker Hermsdorf
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Auf der Flucht: Anwohner bringen sich vor der anhaltenden Gewalt in Sicherheit (Port-au-Prince, 14.11.2024)

Die USA sind am Mittwoch im UN-Sicherheitsrat mit einem von Ecuador und der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten unterstützten Antrag zum Einsatz einer weiteren »Blauhelmtruppe« in Haiti gescheitert. Während Leslie Voltaire, der Vorsitzende des Präsidialen Übergangsrates des Landes, den Vorschlag unterstützte, legten China und Russland ihr Veto ein. Beide Länder verwiesen darauf, dass frühere Einsätze wie die von 2004 bis 2017 dauernde Mission Minustah die Situation im ärmsten Land Amerikas weiter verschlechtert hatten. Statt erneut UN-Truppen zu entsenden, sollten die Beiträge für die bestehende, aber stark unterfinanzierte Multinationale Sicherheitsunterstützungsmission (MMS) erhöht werden, forderten sie.

Die Debatte im Sicherheitsrat fand vor dem Hintergrund von Berichten über weiter eskalierende Gewalttaten statt. In den vergangenen Tagen sollen Polizisten und Einwohner des wohlhabenden Stadtteils Pétionville mindestens 28 Angehörige sogenannter Gangs getötet haben. Insbesondere sei es gegen den vom Expolizisten Jimmy »Barbecue« Chérizier angeführten Zusammenschluss »Viv Ansamn« (Zusammenleben) gegangen, der seine Aktivitäten verstärkt hat, um einen Rücktritt des von ihnen als Marionette der USA bezeichneten Übergangsrats zu erreichen. Das Bündnis bemängelt unter anderem, dass es seit der Wahl des 2021 ermordeten Präsidenten Jovenel Moïse im Jahr 2016 keine legitimierte Regierung mehr gebe.

Am Dienstag stellte die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) ihre Arbeit in der Hauptstadt Port-au-Prince und Umgebung ein, nachdem Polizisten Krankenwagen angegriffen, zwei Patienten getötet und MSF-Mitarbeiter mit Vergewaltigung und Tod bedroht hatten. Die Organisation sei zwar an extreme Unsicherheit gewöhnt, aber wenn die Polizei selbst zur Bedrohung werde, habe man keine andere Wahl, als die Arbeit bis auf weiteres auszusetzen, so MSF-Missionsleiter Christophe Garnier. Alleine in der vergangenen Woche seien mindestens 150 Menschen getötet, weitere 92 verletzt und rund 20.000 vertrieben worden, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk am Mittwoch am UN-Sitz in New York. In Port-au-Prince würden zudem geschätzte vier Millionen Menschen »faktisch als Geiseln gehalten«.

Unter Verweis auf den von haitianischen Oppositionellen vorausgesagten Misserfolg der MMS hatten die USA im September erstmals versucht, den Einsatz in eine klassische »UN Peacekeeping Operation« umzuwandeln, waren jedoch bereits damals gescheitert. Beim neuen Anlauf warnte der US-Journalist und Haiti-Experte Dan Cohen als zugeschalteter Gast im Sicherheitsrat davor, dem Antrag stattzugeben: »Wir sollten uns daran erinnern, dass Haiti in den vergangenen drei Jahrzehnten 21 Jahre lang von den USA und der UNO besetzt war.« Doch die Besetzung habe ihre erklärten Ziele nie erreicht. Tatsächlich seien UN-Truppen unter dem Vorwand, »Gangs zu bekämpfen«, für schwerste Verbrechen verantwortlich gewesen.

Cohen erinnerte an sexuelle Übergriffe von UN-«Blauhelmen» gegen Frauen und Mädchen, ein von ihnen begangenes Massaker in den Slums des Armenviertels Cité Soleil und die durch Fäkalien der »Friedenstruppen« verursachte Choleraepidemie, an der mehr als 10.000 Menschen starben. Für ihn sei klar, »dass hier andere Ziele im Spiel sind. Die USA, mein Heimatland, versuchen, ihre Interessen in Haiti durchzusetzen – mit oder ohne Zustimmung dieses Rates«, erklärte er. Der Haiti-Einsatz sei »Teil des Global Fragility Act, einer von den USA entwickelten Strategie, die darauf abzielt, durch die Kombination von militärischer Macht und ›Soft Power‹ den Einfluss Chinas und Russlands einzudämmen«, konkretisierte Cohen seinen Vorwurf. »Haiti dient hierbei als Pilotprojekt für diese Taktik, die Washington in weiteren Staaten anwenden möchte, so in Libyen, Mosambik und mehreren westafrikanischen Ländern.«

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