Noch einmal die Sportzigarette
Von Frank SchäferEin Münchner Kinobetreiber spielt sich als Mäzen auf und lässt eine Band casten, die erstaunlich gut harmoniert und sogar zusammenbleibt, als der Impresario sein Interesse verliert und die Zahlungen einstellt. Sie erspielen sich als Bulldogg bald einen Namen und nehmen 1976 bei Conny Plank ein Demo auf, das dieser gleich an Günter Körber von Sky Records weiterreicht, so sehr überzeugt es ihn. Körber schlägt zu, aber der Bandname ist bereits mehrfach vergeben, also ändert man ihn kurzerhand in Bullfrog. Das titellose Debütalbum erscheint noch im selben Jahr und enthält harten Blues-Rock nach US-Vorbild, der in den beiden über zehnminütigen Suiten auf der B-Seite, »Get Away« und »Desert Man«, einen entschiedenen Drall ins Progressiv-Krautrockige bekommt.
Bullfrog haben mit Sebastian Leitner an der Gitarre und dem Keyboarder Harald Kaltenecker zwei flüssige Instrumentalisten in ihren Reihen, die beide ihre Freiheiten bekommen, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Tatsächlich wünschte man sich mitunter, dass der Leitner Sebastian mal mehr aus sich herausginge. Er hat einen schönen Ton, bringt es auf ein ganz anständiges Tempo, und ihm fällt auch melodisch einiges ein, aber es fehlt das Egomanische zum echten Heldengitarristen. Er und Kaltenecker, sein Kontrahent an den Tasten, verspüren offenbar gar keine Konkurrenz, beiden geht es viel zu sehr um Songdienlichkeit.
Ihr zweites Album »High In Spirits« zeigt das noch deutlicher. Die Songs sind konziser, der Prog-Faktor wird um einiges reduziert, nur in der neunminütigen Hippieelegie »A Housepainter’s Song« lassen sie noch einmal die Sportzigarette kreisen. Das Album ist zugeschnitten auf Sänger Gerd Hoch, den das durchaus überfordert. Seine leicht heisere Stimme besitzt zwar durchaus Wiedererkennungswert, ist aber zu limitiert, um dieses Gewicht zu rechtfertigen. Und leider verliert sich auch etwas die Härte und Ruppigkeit des Debüts. Der Albumhit »Live«, der es verdient hätte, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in jedem Classic-Radio-Sender runtergedudelt zu werden, lässt dann aber alle Krittelei vergessen. Ein schwungvoller, fast swingender Groove, ein Hook, der einem von nun an durch die trübtassigen Tage auf dieser Erdschrunde hilft, und endlich mal wieder etwas Gitarrendruck – mehr kann man von einem zeitgenössischen Heavy Rocker kaum verlangen.
Das Album verkauft sich auch im Ausland ganz ansehnlich, kurioserweise können Bullfrog auf eine solide Fanbasis in Portugal zählen. Sie touren ausgiebig und überzeugen live auf ganzer Linie, sie bekommen Titelstorys in den Magazinen und diverse Radioeinsätze. Mittlerweile hat auch Peter Rüchel sie auf der Liste und bucht sie im Jahr darauf zusammen mit Lucifer’s Friend für eine deutsche Hard-Rock-Nacht im »Rockpalast«.
Jetzt wird Amerika hellhörig. Der US-Sender AFN holt sie sich ins Programm, und man macht ihnen Hoffnungen auf eine transatlantische Karriere. So klingt ihr drittes Album dann auch. »Second Wind« (1980) ist ein zeitgemäß produziertes, technisch tadelloses AOR-Album fürs US-Radio, aber um gegen Journey, Loverboy, Foreigner etc. anstinken zu wollen, dafür fehlen dann doch die Killersongs. Es gibt Kontakte zu einem US-Label, das Songwriter-Gespann Leitner und Hoch geht für ein Jahr nach Chicago, um mit Timothy Gainer, einem US-Amerikaner, den sie als zweiten Sänger in die Band geholt haben, das vierte Album vorzubereiten. Aber letztlich bleibt der US-Trip erfolglos. Die Gruppe löst sich bald danach auf. Warum am Ende alles so sang- und klanglos den Bach hinuntergeht, darüber hat die Band offenbar Stillschweigen verabredet. Musikalische Differenzen waren es in diesem Fall sicher nicht.
Bullfrog: »Bullfrog« (Sky Records)
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