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Aus: Ausgabe vom 22.11.2024, Seite 14 / Medien
Amsterdamer Vorfälle

Verdrehte Darstellung

Wie schief und krumm Medienhäuser über die Gewalt von israelischen Fußballfans in Amsterdam berichteten
Von Jakob Reimann
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Maccabi-Tel-Aviv-Fans ziehen schreiend durch Amsterdam (7.11.2024)

Dass sich rechtsradikale Hooligans nach einer schallenden Auswärtsniederlage prügeln, randalierend durch die Straßen ziehen und ihrerseits verprügelt werden, ist in der Welt des Fußballs wahrlich keine Seltenheit und entsprechende Ausschreitungen sind daher oft kaum mehr als eine Randmeldung wert. Die Flut an Beiträgen und Kommentaren, die infolge der Ereignisse rund um das Europa-League-Spiel zwischen Maccabi Tel Aviv und Ajax Amsterdam am 7. November in der niederländischen Hauptstadt veröffentlicht wurden, mutet daher grotesk an. Immer wieder wurden die Ausschreitungen als »Pogrome« bezeichnet, auch die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema zog diesen Vergleich. Mittlerweile bereue sie diese Verwendung, sie habe erkannt, dass das Wort zu Zwecken der »Propaganda« missbraucht wurde.

Die Ausschreitungen wurden von Maccabi-Fans initiiert, die in rassistischen Parolen die Vernichtung von Arabern skandierten, sich mit Stöcken und Eisenstangen bewaffneten und randalierend durch die Straßen zogen. Sie beschädigten Häuser und Autos und überfielen und verprügelten mehrere Menschen. Im Zentrum des medialen Versagens rund um die Gewalt stehen Bildaufnahmen der Ereignisse der niederländischen Fotojournalistin Annet de Graaf, die die Maccabi-Hooligans bei einem Angriff filmte. In einer Umkehr der Realität wurden ihre Bilder von westlichen Medien reihenweise als Beweise für die Gewalt gegen Israelis angeführt. De Graaf machte auf X auf diesen Missbrauch ihrer Bilder etwa durch Bild, The Guardian, CNN oder die New York Times aufmerksam und forderte eine Richtigstellung. In ihrer Sendung vom 8. November verwendete auch die »Tagesschau« de Graafs Bilder in falschem Kontext. Im Nachhinein wurde das Video in der Onlineausgabe abgeändert und eine Korrektur hinzugefügt. Ge Graafs Videoaufnahmen »zeigen nicht Angriffe auf israelische Fußballfans«, heißt es unter dem Video. Was die nun ausgetauschten Bilder aber tatsächlich zeigen, erfährt der Leser nicht.

Einige Medienhäuser haben ihre Meldungen stillschweigend abgeändert, wie bei einem Kommentar von FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube. Bei anderen steht das Material weiter im falschen Kontext. Erwartbar bei Bild, dort ist der Artikel vom stellvertretenden Politikchef Filipp Piatov vom 8. November weiter mit einem Schnappschuss aus de Graafs Video begleitet, »Judenhasser« steht in der Bildbeschreibung, zu sehen sind die Maccabi-Hooligans. »Journalismus bedeutet, die Wahrheit zu finden«, erinnert die Journalistin de Graaf auf X ihre Kollegen. »Es geht nicht darum, mit einer verdrehten Darstellung der Realität Geld zu verdienen.« Laut einer Umfrage des Medienmagazins »Zapp« vom Sommer hatte fast jeder Zweite wenig oder gar kein Vertrauen in die deutsche Berichterstattung zum Krieg in Nahost. Mit der Berichterstattung über Amsterdam dürfte das Vertrauen weiter sinken.

Verstörend waren öffentliche Äußerungen politischer Führungspersonen, die in ihren vorschnellen Kommentaren zu Amsterdam mit historischen Vergleichen womöglich die Grenze zur Verharmlosung des Hitlerfaschismus überschritten. »Wir haben die jüdische Gemeinschaft der Niederlande während des Zweiten Weltkriegs im Stich gelassen«, sagte der niederländische König Willem-Alexander laut Times of Israel in einem Telefonat mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog, »und letzte Nacht haben wir erneut versagt.« Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zog haltlose geschichtsrevisionistische Vergleiche, als er behauptete, die »Kristallnacht« sei »jetzt wieder da – gestern haben wir sie auf den Straßen von Amsterdam gesehen«. Er meinte damit die Novemberpogrome der Nazis 1938, als Synagogen in Brand gesetzt, Hunderte Juden getötet und Zehntausende interniert wurden.

Die Fans von Maccabi Tel Aviv haben sich weltweit seit langem einen Namen als extrem rechte, ultranationalistische und gewaltbereite Schläger gemacht, was nicht nur unter Kennern der Szene bekannt ist. Daher überrascht es, wie dieser Aspekt genau wie ihre Rolle als Auslöser der Gewalt medial verharmlost bis geleugnet wurden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (25. November 2024 um 15:55 Uhr)
    Dass westliche Medien durch Fakenews, Halbwahrheiten und Auslassungen ihre Nachrichten im Interesse der Herrschenden frisieren, ist bekannt und beispielhaft an der Ukraine-Berichterstattung nachzuvollziehen, wo etwa Selenskijs Drohung mit Atomwaffen vom 19.2.2022 von den Medien weitgehend ignoriert wurde. Im Fall der randalierenden Maccabi-Fußballfans mag eine Falschberichterstattung im rundum berechtigten Interesse einer Bekämpfung des Antisemitismus verständlich sein, unterstützenswert ist sie gleichwohl nicht, weil Rassismen nun mal nicht mit gegenläufigen rassistischen Stereotypen, sondern nur mit differenzierter Aufklärung zu bekämpfen sind. Einfach nur auf die Araber einzudreschen – egal ob schuldig oder nicht – das führt nicht weiter. Randale ist zwar eine traurige Normalität in der Fußballwelt, leider auch die Maccabi-Parole »Tod den Arabern«. Von Hannover-96-Fans kennt man Parolen wie »Tod und Hass dem BTSV« oder »Alle Braunschweiger töten« (haz.de am 5.11.2023). Damit sind aber Grenzen überschritten, und wer soetwas sagt, muss diese seine Worte gegen sich gelten lassen, egal ob ukrainischer Präsident, Maccabi-Fan oder 96-Fan. Selenskij hatte sich mit seinen wiederholten Androhungen militärischer Gewalt gegen Russland den russischen Kriegseintritt eingehandelt; auch Maccabi- und 96-Fans sollten sich nicht darauf berufen können, dass ihre Todesdrohungen nicht ernst gemeint seien; was natürlich auch für die bekannten Völkermorddrohungen aus der israelischen Polit-Elite gilt. Mit Hass und Ausgrenzung kann man Streit nur selten beilegen. Nötig ist immer ein zielgerichtetes Eingehen auf den Gegner, sei es therapeutische Ansprache der Hooligans oder sei es jedes sonstige direkte Gespräch, und zwar auch zwischen West- und Ostukrainern, was Deutschland November 2021 leider ablehnte. Und wo relevante Details von plakativen Parolen verschüttet werden, sind auch zwischen Israelis und Palästinensern rationale Klärungen nötiger als einseitige Solidaritätsadressen.
  • Leserbrief von Jens Knorr aus Berlin (23. November 2024 um 16:12 Uhr)
    Es ließe sich anhand von Gesichtserkennungs-Software das Bildmaterial aus Amsterdam mit dem reichlich vorhandenen des Genozids an den Palästinensern abgleichen lassen, um zu ermitteln, wer aus dem Maccabi-Mob als israelischer Militärangehöriger an Verbrechen beteiligt war und ist. Auch darin dürfte ein Grund für die »Zurückhaltung« der niederländischen Polizei und Strafverfolgungsbehörden sowie die schnelle Zurückhaltung der Maccabis mit Sondermaschinen ohne Widerspruch der niederländischen Behörden liegen.

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