Gegen Gewalt
Von Ina SembdnerBrötchentüten, orange Beflaggung und Demonstrationen: Viele Städte und Organisationen haben sich rund um den 25. November aufgestellt, um öffentlich geschlechtsspezifische Gewalt anzuprangern. Seit 1991 fordert die UN-Kampagne »Orange the World«, Gewalt an Frauen und Mädchen zu beenden. Das Datum geht zurück auf den 25. November 1960, als in der Dominikanischen Republik drei Schwestern vom militärischen Geheimdienst getötet wurden – sie hatten sich aus dem Untergrund heraus an Aktivitäten gegen den damaligen Diktator, General Rafael Trujillo, beteiligt. Frauenfeindliche Gewalt gibt es jedoch nach wie vor in allen Ländern, Gesellschaften und Bereichen des Lebens: in Familie und Partnerschaft, im Gesundheitsbereich oder am Arbeitsplatz.
Wiederkehrende Forderung hierzulande: Endlich das 2018 geschlossene Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Gewalt an Frauen und Mädchen, die sogenannte Istanbul-Konvention, umzusetzen. Nachdem die Bundesregierung das vollständige Inkrafttreten zunächst für vier Jahre verzögerte – es waren Vorbehalte gegen einzelne Artikel eingelegt worden –, gilt die Konvention seit Februar 2023 auch hierzulande uneingeschränkt. Und die Ampelkoalitionäre rühmten sich ob dieser Großtat. So sprach Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) von einem klaren Zeichen »an alle von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen: Wir stehen uneingeschränkt an Eurer Seite.« Innenministerin Nancy Faeser (SPD) meinte, »ein wichtiges Signal« zu senden: »Wir wollen Frauen vor Gewalt und häuslicher Gewalt schützen! Wir zeigen, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.« Allerdings liegt auch zum diesjährigen Gedenktag vor allem der Gewaltschutz in der BRD im argen: »Noch immer fehlen in Deutschland über 14.000 Frauenhausplätze, noch immer sind die Wartelisten in den Beratungsstellen lang, und noch immer sind die Mitarbeiter*innen und Einrichtungen aufgrund schlechter Finanzierungsstrukturen am Limit«, mahnte der Paritätische im Februar an.
Und so werden kommende Woche zwar zahlreiche Brötchentüten mit Notrufnummern verteilt werden, ob die Betroffenen dann aber auch die notwendige Unterstützung erhalten, kann ihnen niemand versprechen. Die Zahl der Tötungen aufgrund des Geschlechts nimmt unterdessen dramatische Ausmaße an, wie der erst diese Woche veröffentlichte aktuelle Lagebericht erneut deutlich macht: Im vergangenen Jahr wurden demnach allein 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. Um das symbolisch ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, wird es zum Beispiel in Pforzheim ein Schuhmahnmal geben. Für diese Aktion und zahlreiche weitere zeichnet seit 2022 das »Aktionsbündnis 25. November Pforzheim Enzkreis« verantwortlich. »Dass wir unsere Kräfte nun im dritten Jahr in Folge im Aktionsbündnis bündeln, zeigt, wie wichtig uns allen dieses Thema ist«, erklärte Kinga Golomb, Gleichstellungsbeauftragte des Enzkreises. Gemeinsam könne man »die Sichtbarkeit für dieses vermeintliche ›Tabuthema‹ erhöhen«.
Neben der Beflaggung zahlreicher öffentlicher Gebäude in Orange sind bundesweit verschiedenste Aktionen zum Gedenktag geplant, die auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. So verweist der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem Aufruf auf die in diesem Sommer in Kraft getretene Norm der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO 190, die Mindeststandards zur Prävention und Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz festlegt. Gefordert wird die Aufnahme der Norm in hiesige Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Auf eine Verbesserung der Situation im Gesundheitsbereich konzentriert sich zum Beispiel das Klinikum Osnabrück. Seit Oktober 2022 gehört das Krankenhaus dem Netzwerk »Pro Beweis« an, das es Betroffenen ermöglicht, die Spuren von Angriffen sowie Befunde und Beweismittel gerichtsverwertbar dokumentieren und sichern zu lassen. Das soll es erleichtern, zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige erstatten zu können und Schritte gegen die Täter einzuleiten. Zudem werden Beschäftigte des Klinikums im Erkennen von Gewaltanzeichen und dem Umgang mit Betroffenen geschult. Letztlich braucht es jedoch einen gesetzlichen Rahmen, so dass Frauen- und Fachverbände am Donnerstag erneut forderten, das von der Bundesregierung geplante Gewalthilfegesetz endlich auf den Weg zu bringen.
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