Baywa in der Klemme
Von Oliver RastEs ist ein geflügelter Spruch: Kirche und Baywa, mehr brauchen Bayerns Dörfer nicht. Und schon die Kabarettgruppe »Biermösl Blosn« wusste den Agrarmulti aus München aufs Korn zu nehmen. Mittels hymnischem Refrain in teils bester Mundart: »Gott mit dir, du Land der Baywa. Deutscher Dünger aus Phosphat. Über deinen weiten Fluren. Liegt Chemie von fruah bis spat. Und so wachsen deine Rüben. So ernährescht du die Sau. Herr Gott, bleib’ dahoam im Himme. Mia habn Nitrophoska Blau.« Das war 1980.
Mehr als vier Jahrzehnte später, nach wildem Expansionskurs, internem Stühlerücken und hektischer Verkaufsrallye, ist die Baywa, die dereinst unter dem Namen Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG firmierte, nur noch eins: ein Sanierungsfall. Ein Fall für ein neues Spottlied.
Fest steht: Die Baywa-Bosse haben sich verzockt. Kräftig. Mit Hunderten Unternehmensbeteiligungen in rund 50 Ländern, besonders mit dem Einstieg in die Sparte Energieerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen durch die Tochter Baywa R. E. Im Juli dann die Notbremse. Kleinlaut hatten die Protzer mitgeteilt, ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben zu haben. »Damit reagiert die Baywa auf eine angespannte Finanzierungslage.« Angespannt ist gut: Der Nettoverlust summierte sich in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf knapp 641 Millionen Euro, berichtete die Raiffeisenzeitung am Donnerstag. Dabei hockt der Vorstand schon auf einem Schuldenberg von fünf Milliarden Euro plus X. Eine Folge: Seit Jahresbeginn brach der Aktienkurs der Baywa um 72 Prozent ein, meldete die Unabhängige Bauernstimme der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) gleichentags. Das Konglomerat sei an der Börse gerade mal noch 300 Millionen Euro wert, weniger als die Hälfte der Miesen aus neun Monaten Misswirtschaft.
Und nun ist die Baywa auch noch ein Justizfall. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) interessiert sich für das Geschäftsgebaren, etwa für den Konzernabschluss 2023 samt Lagebericht zu Liquidationsrisiko und Zinsentwicklung. Es gebe konkrete Anhaltspunkte zu vorsätzlichen Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften, hieß es seitens der Behörde. Nicht nur das. Ferner checkt die staatliche Abschlussprüferaufsichtsstelle (Apas) die Wirtschaftsprüfer von PWC, so die Süddeutsche Zeitung am Freitag. Ein berufsrechtliches Verfahren sei eingeleitet worden. Die Apas überwacht die Qualität und Unabhängigkeit von Prüfern. Der Verdacht: PWC hat etwaige Bilanzmanipulationen bei der Baywa – sagen wir mal – »übersehen«. Versehentlich, freilich.
Was meint die Staatskanzlei des Freistaats zu den Turbulenzen beim Agrarmulti mit seinen rund 23.000 Beschäftigten? Nichts. Jedenfalls nichts am Freitag gegenüber jW. Und Vertreter der Koalitionsfraktionen CSU und Freie Wähler (FW)? Fast nichts. Nur das: »Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu dem genannten Thema nicht äußern werden«, so eine FW-Sprecherin auf Nachfrage dieser Zeitung. Kein Wunder, gilt die Baywa doch als »Musterbeispiel für politischen Filz«, schrieb jüngst die Neue Zürcher Zeitung.
Aussagebereiter ist Florian von Brunn (SPD): »Die Baywa sollte in Zukunft so solide wirtschaften, wie sie es über Jahrzehnte hinweg getan hat«, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion im bayerischen Landtag am Freitag zu jW. Aber der Handel mit neuseeländischen Äpfeln zähle nicht dazu. Problem sei ferner, dass CSU und FW Anträge der SPD zwecks Aufarbeitung der Vorgänge um die Baywa blockiert hätten. Deswegen sei es gut, dass die Bafin jetzt genau prüft. Oder: »Gott mit dir, du Land der Baywa.«
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Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (24. November 2024 um 15:42 Uhr)»Gott mit dir, du Land der Baywa.« Im zeitlichen Rahmen der Pleite bei Praktiker/Max Bahr (»20 % auf alles außer Tiernahrung«) habe ich auch Betriebsratsseminare für die Baumarktsparte der Baywa gemacht. Kritik am Konzern und der Führungsriege war (und ist auch heute noch) einfach »pfui.« Zum Seminarbeginn wurde immer ein stilles Gebet für den Umsatz des Tages und das Wohlergehen von Herrn Lutz (CEO) gesprochen. Und dass die PwC bei der Prüfung der Jahresabschlüsse nicht so genau hingeschaut hat und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat das Testat umstandslos »abgenickt« haben, da gilt halt und nicht nur in Bayern, »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.« 45.000 € (brutto) Tantiemen für 4 Aufsichtsratssitzungen im Jahr plus eine Hauptversammlung bleiben nach Steuern 30.000 € netto, da muss auch eine alte bayrische Großmutter lange für stricken. Wenn’s ganz »dumm« läuft, landet die »Bude«, wie viele andere auch, in der Insolvenz, wenn’s weniger »dumm« läuft, wird zerschlagen und saniert. Darunter leiden müssen die Arbeitnehmer und -innen. Wann sind selbige mal bereit, ihren Betriebsräten und der Gewerkschaft (hier ver.di) in den »Allerwertesten« zu treten?
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