»Dieser Besuch ist ein unfreundlicher Akt«
Interview: Kristian StemmlerNach 13 Jahren hat erstmals wieder ein Flugzeugträger den Hamburger Hafen angelaufen, die britische »Queen Elizabeth«. Sie nimmt an einer NATO-Übung teil. Wie bewerten Sie das Auftauchen dieses Kriegsschiffs?
Das monströse Kriegsschiff hat am Montag in der Mitte unserer Stadt, am Kreuzfahrtterminal, festgemacht. Einen Tag zuvor hat US-Präsident Biden der Ukraine erlaubt, Russland mit weit ins Land reichenden schweren Waffen anzugreifen. Ich glaube nicht, dass das ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen ist. Putins Erklärung, dass die USA, deren Soldaten diese Waffen programmieren und bedienen, jetzt Kriegspartei gegen Russland seien, gilt ja ebenso für Großbritannien. Dessen Regierung hat ja den Einsatz von weitreichenden Waffen gegen Ziele in Russland ebenfalls freigegeben. Ich bewerte diesen Besuch als einen unfreundlichen, wenn nicht feindlichen Akt, der unser Leben bedroht.
Der Erste Bürgermeister, Peter Tschentscher von der SPD, sprach denn auch von einem »Signal gen Osten«, dass Europa zusammenstehe. Was halten Sie von solchen Drohgebärden in Richtung Russland?
Diese Äußerung ist verantwortungslos und verfassungswidrig. Das Grundgesetz verbietet die Vorbereitung eines Angriffskrieges und selbst die Drohung damit. Unsere Landesverfassung verlangt aktiven Einsatz für den Frieden. Herr Tschentscher sollte seinem Vorgänger Klaus von Dohnanyi besser zuhören und sich nicht dem Kriegstaumel gegen Russland hingeben. Niemand hat das Recht, ein drittes Mal nach den Weltkriegen eins und zwei Kriegssignale gen Osten zu senden.
Tschentscher bezeichnete Hamburg als wichtige logistische Drehscheibe, auch in militärischer Hinsicht. Er scheint stolz darauf zu sein, dass über den Hafen Rüstungsgüter exportiert werden.
Die Volksinitiative hatte das nötige Quorum für einen rüstungsfreien Hafen weit übersprungen, mehr als 16.000 Hamburgerinnen und Hamburger haben dafür unterschrieben. Wir wurden vom Verfassungsgericht gestoppt. Weiterhin wird über unseren Hafen jede vierte exportierte deutsche Kriegswaffe verschifft. Der Hamburger Hafen exportiert schon seit langem den Tod in alle Welt, und jetzt arbeitet der Bürgermeister daran, ihn auch zu importieren. Flugzeugträger, Kriegsumschlag und Raketen sind Magneten. »Wir wollen keine Gegner sein«, war an der Hausfassade gegenüber dem Michel am 12. November zu lesen, als dort zum 69. Bundeswehrgeburtstag Reservisten mit dem Bürgermeister ihre Kriegstüchtigkeit feierten.
Der Besuch findet in einer Zeit fast täglich neuer Zuspitzungen statt. Wären da nicht eher Gesten der Entspannung angesagt?
In meiner Gewerkschaft Verdi höre ich SPD-Mitglieder, die jetzt nur eine Chance für ein gutes Abschneiden der SPD bei den Wahlen sehen: klare Kante für Verhandeln statt Schießen. Stopp der Waffenlieferungen, insbesondere keine »Taurus« gegen Russland! Hier in Hamburg hat die Bürgerschaft mit sehr großer Mehrheit vor knapp fünf Jahren die Bundesregierung aufgefordert, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Wir spüren alle die große Atomkriegsgefahr. Die Ärzteorganisation IPPNW in Hamburg fordert von Tschentscher, am 10. Dezember, wenn in Oslo der Friedensnobelpreis an Nihon Hidankyo, eine japanische Friedensorganisation, die von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gegründet wurde, überreicht wird, hier am Rathaus die Mayor-for-Peace-Flagge zu hissen. Die Hamburger Friedensbewegung trifft sich dann um 16 Uhr am Ballindamm und schaut nach, ob er seiner Verantwortung als Mitglied dieser weltweiten Bürgermeistervereinigung gerecht geworden ist.
Der Ukraine-Krieg dauert schon 1.000 Tage an. Was kann man von Hamburg aus tun, um dem Frieden näher zu kommen?
Wir erleben die größte Katastrophe in der Menschheitsgeschichte, wenn wir den Eskalationskarren nicht anhalten. Wir nutzen die Wahlkämpfe, um Unterschriften unter den Berliner Appell gegen die Stationierung weitreichender US-Mittelstreckenraketen zu sammeln und gehen immer wieder auf die Straße für Verhandeln statt Schießen. Auch am Freitag haben wir unter der Losung »Good bye Queen Elizabeth« im Park Fiction auf St. Pauli gegen den Flugzeugträger protestiert.
Holger Griebner ist aktiv im Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung
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