»Wir verstehen das als subtile Drohung«
Interview: Fabian LinderAls Initiative »Augsburg für Palästina« waren Sie gezwungen, am Montag eine Veranstaltung mit dem Film »Roadmap to Apartheid« abzusagen. Weshalb?
Wenige Tage vor der Veranstaltung im Augsburger »Grandhotel Cosmopolis« erhielten die Betreiber ein Schreiben von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Augsburg-Schwaben, DIG, in dem wir als Gruppe sowie der Film als »antisemitisch« bezeichnet werden. Inzwischen sind sie zumindest beim Film etwas zurückgerudert. Das Schreiben verweist auch darauf, dass das »Grandhotel« – ein Projekt mit Geflüchteten, die dort auch wohnen – mit städtischen Geldern gefördert wird und es schade wäre, wenn sein Bild in der Öffentlichkeit »beschädigt« werden würde. Wir verstehen das als eine subtile Drohung. Gemeinsam mit dem »Grandhotel« haben wir uns dazu entschieden, die Veranstaltung zunächst abzusagen.
Worum geht es im Film?
Der Film beschäftigt sich mit den Einschränkungen, die Palästinenser durch israelische Gesetze erleben, aber auch durch die Mauern und Checkpoints in den besetzten Gebieten und die damit zusammenhängende Überwachung und Einschüchterung. Es werden bewusst Vergleiche zur Apartheid in Südafrika gezogen. Die DIG kritisiert den Film, weil er sich damit beschäftigt, wie diese Situation überwunden werden und die Rechte der Palästinenser garantiert werden können. In Südafrika wurde die Apartheid durch den Widerstand der dortigen schwarzen Bevölkerung sowie internationalen Druck bekämpft. Darüber hinaus verweisen die Filmemacher auf einen gemeinsamen Staat von palästinensischer und jüdischer Bevölkerung als Lösung und wenden sich gegen eine Zweistaatenlösung. Wir halten das, unabhängig von unserer eigenen Position, für einen wichtigen Debattenbeitrag.
Und welches Problem hat die DIG damit?
Es wird darauf verwiesen, dass es bei unseren Veranstaltungen öfter zu antisemitischen Vorfällen gekommen sei. Dabei bezieht man sich auf Losungen wie »Zionismus ist Rassismus«. Im Film würden Akteure zu Wort kommen, die auch die BDS-Kampagne unterstützen, weshalb er gänzlich antisemitisch sei. Dass der Film von einem jüdisch-israelischen Regisseur ist, lässt die DIG in ihrem Brief unerwähnt, da der Vorwurf des Antisemitismus damit nicht mehr so einfach erscheint.
Wie haben Sie auf dieses Schreiben reagiert?
Am vergangenen Montag haben wir mit einer Kundgebung über den Vorfall informiert. Wir würden uns wünschen, dass man ins Gespräch geht, wenn man der Ansicht ist, dass einzelne Fakten in diesem Film falsch sind. Zu einer demokratischen Debatte gehört, dass auch über kritische Positionen diskutiert wird.
Die Vorführung war Teil der Augsburger Friedenswochen, einer Veranstaltungsreihe der Friedensbewegung von linken bis hin zu kirchlichen Gruppen. Es ist nicht in Ordnung, dass dieses Programm von außen diktiert wird. Trifft es jetzt die Palästina-Solidarität, kann es beim nächsten Mal Veranstaltungen zu Krieg und Abrüstung treffen. Hier geht es um mehr als Palästina, nämlich um die demokratische Kultur und Debattenmöglichkeit generell.
Wie gehen Sie mit dem Antisemitismusvorwurf in dieser Sache um?
Die im Bundestag verabschiedete Resolution, welche im übrigen nicht rechtlich bindend ist, zielt darauf ab, Kritik am Staat Israel und dessen Politik als antisemitisch zu brandmarken. Wir wenden uns bei unseren Veranstaltungen auch gegen Antisemitismus. Wenn solche Vorwürfe jedoch bei jeder Kritik am Staat Israel geäußert werden, wird das entwertet. Dort, wo tatsächlich antisemitische Vorfälle passieren, nimmt das niemand mehr ernst. Wir sehen das als problematisch an.
Sie haben einen offenen Brief zu dem Vorfall formuliert. Wie geht es nun weiter?
Wir sind überrascht, wieviel Unterstützung der Brief durch Einzelpersonen und Institutionen innerhalb der Stadt in der kurzen Zeit erfahren hat. Wir hoffen, dass wir eine Diskussion über die Bedeutung der offenen Debatte in Augsburg anstoßen können. Den Film werden wir an anderer Stelle zu einem späteren Zeitpunkt noch zeigen.
Johannes Wendl ist Sprecher von »Augsburg für Palästina«
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