Zügig zugelassen
Von Nico PoppDas BSW ist noch vor dem ersten Jahrestag seiner Gründung in zwei Landesregierungen angekommen – nach Thüringen steht auch in Brandenburg der Abschluss der Koalitionsverhandlungen an. Das ist, zumal in einem politischen System, das gerade nicht auf Zugänglichkeit für kleine Parteien und Neugründungen ausgelegt ist, ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang. Die Parteichefin hat die schnelle Beteiligung an zwei Landesregierungen »beispiellos« genannt. Die zügige Zulassung zur Exekutive ist aber offensichtlich für nicht wenige Wähler der Partei gerade kein Grund zur Freude: Prompt schwächelt das BSW in Umfragen, und die ersten interessierten Diagnosen, die einen »Absturz« konstatieren, gehen in Druck.
Man kann der BSW-Spitze nicht vorwerfen, dass sie die Gefahr einer raschen Integration der Partei nicht gesehen hat. Wagenknecht hat vor den Wahlen das Friedensthema zum Dreh- und Angelpunkt von Koalitionsverhandlungen erklärt, und sie hat, als die BSW-Verhandler in Thüringen umzufallen drohten, energisch interveniert. Am Ende aber steht, und das ist das wesentliche Resultat, die Beteiligung an einer Regierung, die von der CDU geführt wird.
Dem BSW ist es nicht gelungen, den Eindruck zu zerstreuen, dass es sich bei dem Satz im Koalitionsvertrag, den die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf zu einem »großen Wurf« erklärt hat, um einen »großen« Formelkompromiss handelt. »Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch«, heißt es dort über die US-Mittelstreckenraketen – das konnten CDU und SPD unterschreiben, denn die Zustimmung Berlins zur Stationierung liegt selbstverständlich vor, und das Aufwerfen der Frage, ob eine »Verwendung« mit »deutscher Mitsprache« erfolgt, ist wohl kaum eine Grundsatzkritik. Eine friedenspolitische Aktivierung der Landesregierung, an der das BSW beteiligt ist, folgt aus diesem Koalitionsvertrag nicht zwingend – zumal die Thüringer BSW-Leute allem Anschein nach gezwungen werden mussten, wenigstens auf eine solche »kritische« Formel hinzuarbeiten.
Wagenknecht wird wissen, dass der »beispiellose« Erfolg des BSW eine Dynamik zur Voraussetzung hat, die nicht von der Partei erzeugt wurde: eine nach politischer Artikulation suchende Unzufriedenheit in weiten Teilen der Gesellschaft mit den angebotenen Varianten einer Status-quo-Politik, die in ihrer außenpolitischen Zuspitzung als direkt gefährlich empfunden wird. Von dieser Unzufriedenheit hat lange nur die AfD profitiert, bis das BSW in eine Lücke stieß, in der es vor allem die wegbrechende Wählerschaft der von Regierungslinken übel zugerichteten Linkspartei an sich zog. Und das sind nun einmal Wähler, die nicht von »beispiellos« schnellen Regierungsbeteiligungen träumen – so wie manche im BSW. Die Herausforderung für die Wagenknecht-Partei bestand nicht darin, Anfangserfolge zu erzielen. Viel schwerer scheint es ihr zu fallen, nicht sofort vom Integrationssog fortgerissen zu werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (25. November 2024 um 19:02 Uhr)Tüpisch linkes Bürgertum. Kaum etwas politischen Wind im Rücken, schon geht es schnurstracks Richtung politischen »Fressnapf«. Wer oder was den »Fressnapf« füllt, ist erstmal egal. Hauptsache ist der Platz am »Fressnapf«. Streit und Intrigen, Machtgehabe und Hinterhältigkeit stehen schon in den Startlöchern. Warum? Weil das linke Bürgertum seit 175 Jahren immer das gleiche macht: Es kümmert sich nur um sich selbst und spielt ab und zu den barmherzigen und verständnisvollen Humanisten. Weil uns leider eine revolutionäre Arbeiterpartei fehlt, die praktisch und konkret eine erfolgreiche Politik für das Volk macht, tanzt das Bürgertum weiterhin auf meiner Arbeiter Nase herum.
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Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (25. November 2024 um 18:08 Uhr)Ich kann mich erinnern, dass Wagenknecht schon zu PDS-Zeiten – als sie noch als Kommunistin und Marxistin firmierte – gerade das Mitregieren ihrer Partei in verschiedenen Bundesländern kritisierte. Sie tat das öffentlich und oft mit großer hochmoralischer Attitüde. Damit brachte sie regelmäßig die regierungsgeilen rechtsopportunistischen Führer ihrer Partei zur Weißglut und verdiente sich redlich deren Hass. Und so dachte (wunschdachte?) ich, dass gerade das Agieren der PDL-Führer als Mehrheitsbeschaffer von SPD- und Grünen-Regierungen eine wichtige Ursache für das Schisma zwischen W. und ihrer alten Partei gewesen sei. Nun aber ist es ausgerechnet ihre neue Partei, die zum Mehrheitsbeschaffer etablierter Parteien wird. Jene politische Verkommenheit, zu der ihre alte Partei in jahrelangen Auseinandersetzungen gelangte, erreicht ihre handverlesene Truppe in kürzester Zeit! Die Ramelows können sich nur ungläubig die Augen reiben. Hatte der Thüringer Regierungschef doch lange vergeblich von einem Regierungsbündnis mit der CDU geträumt. Ausgerechnet die einstige innerparteiliche Intimfeindin schafft das, was ihm nie gelang. Ramelow muss das sehr ungerecht finden!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (25. November 2024 um 14:06 Uhr)Das BSW hat in seiner gegenwärtigen Form gewiss viele Schwächen. Eine aber hat es gewiss nicht: Es übersieht nicht, wie die anderen großen Parteien Deutschlands, welch zentrale Rolle die Frage von Krieg und Frieden für die Fortexistenz unseres Landes hat. Es ist ungeheuer wichtig, dass diese Stimme hörbar bleibt, denn sie ist Ausdruck der Friedenssehnsucht breiter Kreise der Deutschen. Wir sollten uns sorgsam hüten, in den Chor jener einzustimmen, denen genau diese Position ein Dorn im Auge ist. Vorläufig scheint nämlich das BSW die einzig reelle Chance zu sein, die Friedensfrage heute wieder auf die Tagesordnung der deutschen Politik zu setzen. Dafür darf man zähneknirschend auch manch bittere Pille schlucken, die es in seiner Programmatik leider auch bereithält.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (26. November 2024 um 18:29 Uhr)Von dem vielen »Pillen geschlucke« hab ich schon einen dicken Hals und Störungen im politischen Verdauungstrakt. Mein politischer Enddarm ist auch nicht mehr intakt, weil er nicht das ausscheiden kann, was er gerne möchte: Gesundheitsschädliche Kompromisse.
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Leserbrief von Wolfgang Kunze aus Schwerin (25. November 2024 um 12:42 Uhr)Nico Popp hat den Kern der Problematik beim BSW klar dargestellt. Er unterstreicht damit auch die Forderung des Dokumentaristen Patrik Baab, der in einem offenen Brief an das BSW vor diesen Kompromissformulierungen warnt. Das kostet die Stimmen vieler Anhänger und könnte bis zur Bundestagswahl zu einem Erdrutsch führen. Der Spagat zwischen klarer, grundsätzlicher Kritik und weicher Regierungseinbindung kann nie gelingen. Sahra Wagenknecht hat um feste Positionen in Thüringen wie in Brandenburg gerungen. Da scheint die Ablehnung an einer Regierungsbeteiligung in Sachsen der bessere Weg zu sein.
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Leserbrief von Andreas Thomsen aus 26135 Oldenburg (25. November 2024 um 11:13 Uhr)Leider bleibt unerwähnt, dass das »Schwächeln« des BSW nach den ersten erfolgreichen Wahlen auch mit der Entwicklung der Partei selbst zu tun hat. Das Beibehalten eines Kurses, der allein auf handverlesene, kontrollierte Mitgliedschaften fußt, schadet der Partei in Belastungssituationen bereits deutlich, weil einflussreiche Mitglieder im Wartestand nicht so in die Meinungsbildung der Bevölkerung und über die Medien eingreifen, wie sie es als Mitglieder tun würden. Nach § 4 der eigenen Satzung müsste das BSW Mitglieder im Wartestand bereits vollumfänglich, allerdings ohne Stimmrecht, an Aktivitäten und Veranstaltungen beteiligen. Stattdessen wurde und wird die Gründung der Landesverbände mit den handverlesenen Altmitgliedern ohne Einbeziehung der Unterstützerkreise durchgezogen. Wer vor fast einem Jahr die Mitgliedschaft beantragt hat, wartet immer noch auf den Gnadenakt der Aufnahme durch den Vorstand, während übergetretene Mandatsinhaber der Linken sofort aufgenommen wurden. Oder dem BSW wurde aus Enttäuschung bereits mitgeteilt, dass sich der Aufnahmeantrag nach so langer Zeit der Nichtbeachtung erledigt hat. So bleibt das BSW als von oben gebremste Kaderpartei weit unterhalb der eigenen Möglichkeiten, weil dort augenscheinlich niemand Ahnung davon hat, wie man eine Mitgliederpartei aufbaut. Bei dem gegebenen Sachverhalt kann inzwischen auch von eigenen Sympathisanten bezweifelt werden, dass es sich beim BSW um eine normale, demokratische Partei handelt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (25. November 2024 um 11:02 Uhr)Nico Popp schreibt richtig »Und das Aufwerfen der Frage, ob eine ›Verwendung‹ mit ›deutscher Mitsprache‹ erfolgt, ist wohl kaum eine Grundsatzkritik.« Aus unerfindlichen Gründen wird aber die schlimme Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus gar nicht erwähnt. Im Koalitionsvertrag steht zu lesen: »Thüringen ist ein Land der Freiheitsdenker und Brückenbauer. Diese Tradition des friedlichen Wandels durch Dialog und gewaltlosen Protest verpflichtet uns heute besonders – gerade angesichts der Erfahrungen aus zwei deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert.« In diesem Sinne werden dann »NS-Verbrechen aufarbeiten« und »Aufarbeitung des SED-Unrechts« praktisch in einem Atemzug genannt. Einigkeit besteht auch zum »von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg«. Die CDU kann zufrieden sein.
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Leserbrief von Rainer Kral aus Potsdam (25. November 2024 um 13:47 Uhr)Völlig richtig. So wird das nichts mit dem BSW. Parteien, welche die DDR als Unrechtsstaat verteufeln und sie mit dem Naziregime auf eine Stufe stellen, gibt es in der BRD zur Genüge. Eine weitere ist verzichtbar. Gleiches trifft auf den Ukraine-Konflikt zu, wo man die Ursachen des Konflikts ins Gegenteil verkehrt. Sehr enttäuschend, Frau Wagenknecht, aber was die Ukraine angeht, haben Sie die gleichlautenden Aussagen getroffen. Meine Stimme ist damit nicht zu bekommen.
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (25. November 2024 um 08:30 Uhr)Mir fällt auf, dass nirgends etwas über die ideologischen Grundlagen des BSW zu erfahren ist, auch nicht in der jW und auch nicht in diesem Artikel. Zur Erinnerung: Die ehemalige SED, Staatspartei der ehemaligen DDR, begründete stets ihr Reden und Tun mit den Schriften der Klassiker des Marxismus-Leninismus. Auch die Linkspartei, die nach der Wende aus der SED hervorging, konnte das, zumindest auf Nachfrage. Dagegen bleiben Marx, Engels, Lenin bei Frau Wagenknecht und ihrem BSW unerwähnt, und leider fragt sie auch niemand danach. (…) Wieso diese Distanz? Will sie nichts mehr mit »ML« zu tun haben? Auf welcher Ideologie begründet sie nun ihr Tun? Ich wüsste es gern!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (24. November 2024 um 22:19 Uhr)Zitat: »[…] sehen wir kritisch […].« Dieser Satz geht vielleicht auch einmal in die Geschichte ein? Als Anfang und gleichzeitiges Ende der 3. sozialdemokratischen Partei Deutschlands …
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. November 2024 um 20:35 Uhr)Die Quittung für das BWS dürfte im Februar 2025 kommen … Bei der Suche nach Prozentzahlen ist mir diese Seite über den Weg gelaufen: https://dawum.de/ – »DAWUM ist ein Akronym für Darstellung und Auswertung von Wahlumfragen«. Dort werden (tagesaktuell) Umfragwerte angeboten, ich werde gelegentlich hinschauen.
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