Nan Goldin: »Was hast du gelernt, Deutschland?«
Die jüdische US-Fotografin Nan Goldin (71) sprach am Freitag bei der Eröffnung der Retrospektive »This Will Not End Well« in der Neuen Nationalgalerie Berlin über die deutsche Unterstützung für die israelische Kriegführung in Gaza und Libanon und die hiesige Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung:
(…) Weil Stimmen zum Schweigen gebracht wurden, gefesselt und geknebelt durch die Regierung, die Polizei und den kulturellen Crackdown. Das hier ist eine Stadt, die wir für einen Zufluchtsort gehalten haben. Nun sind seit dem 7. Oktober 180 Künstlerinnen und Künstler, Schriftsteller und Lehrer gecancelt worden, manche für so etwas Banales wie einen Like auf Instagram. Viele von ihnen sind Palästinenser, 20 Prozent sind Juden.
Warum spreche ich hier? Ich habe mich entschlossen, diese Ausstellung als Plattform zu nutzen, um meine moralische Empörung über den Völkermord im Gazastreifen und im Libanon zu bekräftigen. Antizionismus hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Das ist eine falsche Gleichsetzung, die dafür benutzt wird, die Besatzung Palästinas aufrechtzuerhalten und diejenigen zu unterdrücken, die dagegen protestieren. Indem man jede Kritik an Israel als antisemitisch deklariert, wird es schwieriger, gewaltsamen Hass gegen Juden zu definieren und zu stoppen. Wir sind nun weniger sicher. Ist das alles, Deutschland? Gleichzeitig wird Islamophobie ignoriert. Der Begriff Antisemitismus wird von der Regierung als Waffe gegen die palästinensische Community in diesem Land genutzt und gegen alle, die sie unterstützen.
Der ICC (Internationaler Strafgerichtshof, englisch: International Criminal Court; jW) spricht von Genozid, die UNO spricht von Genozid, sogar der Papst spricht von Genozid. Dennoch sollen wir es nicht Genozid nennen. Hast du Angst, das zu hören, Deutschland? Die Kinder, die ihre gesamte Familie verlieren, bitten darum, zu sterben. Was hast du gelernt, Deutschland? »Nie wieder« bedeutet nie wieder für alle Menschen.
Übersetzung aus dem Englischen: Peter Merg
Mit der Kampagne »Friedensfähig statt erstschlagfähig!« wenden sich 36 Friedensorganisationen – darunter die Naturfreunde Deutschlands, das Netzwerk Friedenskooperative, die deutsche Sektion von Pax Christi sowie das Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung – gegen die Stationierung landgestützter US-Mittelstreckensysteme in Deutschland. Sie erklärten am Sonnabend:
(…) Die Entscheidung zur Stationierung der Mittelstreckenwaffen in Deutschland führt uns erneut in das mögliche Szenario eines Atomkriegs in Europa. Statt dessen sollten alle Parteien weiter eskalierende Schritte unterlassen und zur Rüstungskontrolle zurückkehren. Perspektivisch nötig sind Initiativen zur Abrüstung aller Mittelstreckenwaffen in Europa.
Die Forderungen der Kampagne sind im einzelnen:
– ein Stopp der geplanten Stationierung neuer US-Mittelstreckensysteme in Deutschland,
– ein Abbruch der Projekte zur Entwicklung eigener, europäischer Hyperschallwaffen und Marschflugkörper, an denen Deutschland sich beteiligen will,
– Dialog statt Aufrüstung: die Wiederaufnahme von Verhandlungen über Rüstungskontrolle und (nukleare) Abrüstung (z. B. für ein multilaterales Folgeabkommen zum INF-Vertrag),
– neue Initiativen für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit und die langfristige Vision einer neuen Friedensordnung in Europa.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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