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Aus: Ausgabe vom 25.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
COP 29

Klima bleibt Notfall

Nur ein Schluck für die Verdurstende: Nach der UN-Klimakonferenz in Baku wird die Erderwärmung ungebremst voranschreiten
Von Wolfgang Pomrehn
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Angesichts des Feilschens um Klimaschutz hielt es manche Aktivisten in Baku nicht mehr auf ihren Sitzen

Am Sonntag morgen ging in Aserbaidschans Hauptstadt Baku die diesjährige UN-Klimakonferenz nach ausgesprochen zähen Verhandlungen zu Ende. Im Zentrum der Verhandlungen standen die sogenannten Klimafinanzen, das heißt, der Bedarf für Anpassungsmaßnahmen und grüne Entwicklung in den ärmsten Ländern, und die Frage, wie viel die Industriestaaten dafür jährlich in einen Fonds einzahlen. Schließlich einigte man sich auf 300 Milliarden US-Dollar. Im vollen Umfang soll diese Summe erst ab 2035 fließen. Zunächst bleibt es bei den bereits 2009 verabredeten 100 Milliarden US-Dollar jährlich.

Am Bedarf geht das allerdings weit vorbei. Beim Deutschen Klimakonsortium (DKK), einem Zusammenschluss der verschiedenen hiesigen Klimaschutzinstitute, hieß es im Vorfeld der Konferenz, dass die gezahlte Summe bis 2030 auf eine Billion US-Dollar anwachsen müsse. Berechnungen internationaler Expertengremien, die vom DKK zitiert werden, kommen sogar auf eine Summe von 2,4 Billionen US-Dollar jährlich. Dabei geht es nicht nur um Vorkehrungen gegen die zunehmende Zahl und Intensität von Extremereignissen wie schwere Stürme und Hochwasser oder Dürren und Hitzewellen. Ebenso sind die Gelder dafür gedacht, den ärmsten und am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern dabei zu helfen, zum Beispiel ihre Energieversorgung mit klimafreundlichen Technologien aufzubauen.

Immerhin steht im Abschlussdokument, dass die Summe ab 2035 nun 1,3 Billionen US-Dollar betragen könnte. Eine Entscheidung hierüber soll erst 2030 fallen. Außerdem fehlt in der Erklärung jeder Hinweis auf »Schaden und Verlust«. Die Industriestaaten wehren sich weiter mit Händen und Füßen gegen jeden auch nur vagen Hinweis auf das Verursacherprinzip, weil sie nicht für den von ihnen angerichteten Schaden aufkommen wollen. Insofern dürften sie ganz froh gewesen sein, dass in Baku viel Energie darauf verwendet werden musste, die Fortschritte aus früheren Verhandlungen zu verteidigen. Einige Ölstaaten, allen voran Saudi-Arabien, wollten bestehende Vereinbarungen aufweichen. Das zumindest konnte verhindert werden, aber insgesamt war das Ergebnis in Baku so schwach, dass sich einige Entwicklungsländer dem Konsens verweigerten. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar unter dem Applaus aus Teilen des Saals als »Witz« und »Beleidigung«. Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise alleingelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hält die Konferenz hingegen für einen Erfolg.

Kritik hagelt es derweil von entwicklungspolitischen und Umweltorganisationen. Die reichen Länder seien ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, heißt es zum Beispiel beim World Wide Fund for Nature (WWF). »Die in Aussicht gestellten Gelder sind nicht mehr als ein Schluck Wasser vorm Verdursten. Das neue Finanzziel wird weder dem Blick in die Vergangenheit noch in die Zukunft gerecht: Die Industriestaaten haben die Klimakrise maßgeblich verursacht und müssen dafür zahlen«, meint WWF-Klimachefin Viviane Raddatz. Ein großer Teil des neuen Finanzziels soll nun von Entwicklungsbanken erbracht werden, kritisiert der WWF weiter. Es sei versäumt worden, »die Verschmutzerunternehmen über eine höhere Besteuerung in die Pflicht zu nehmen und fossile Subventionen in Billionenhöhe umzulenken.«

Auch Cornelia Möhring von der Gruppe der Linkspartei im Bundestag übt harsche Kritik. Deutschland habe sechs Milliarden Euro für den Klimafonds zugesagt, werde dies aber kaum einhalten. Die Absage der Reise des Bundeskanzlers nach Baku sei ein »Beleg für das klimapolitische Einknicken der einstigen Ampelregierung gegenüber AfD, Energiekonzernen und anderen fossilen Dinosauriern wie COP-Gastgeber Aserbaidschan«. Ihre Partei fordere, »dass Deutschland als historisch viertgrößter Klimazerstörer seiner historischen Verantwortung für die Klimakrise gerecht wird und die Hilfen für Länder des globalen Südens bedarfsgerecht aufstockt, statt weiter zu kürzen. Dazu gehört die Aussetzung der Schuldenbremse. Für mehr globale Umverteilung fordern wir mehr Steuereinnahmen, etwa durch eine globale Mindeststeuer für Superreiche und die sozialverträgliche Streichung umweltschädlicher Subventionen«, so Möhring.

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  • Leserbrief von Christian Helms aus Dresden (25. November 2024 um 14:42 Uhr)
    Angesichts nach wie vor steigender Treibhausgasemissionen mit ihren verheerenden Folgen besonders für die Menschen im globalen Süden sind die Ergebnisse der Klimakonferenz von Baku ein Desaster. So das einhellige Fazit einschlägiger entwicklungspolitischer und Umweltorganisationen. Nur ein Bruchteil der für die Milderung der Klimafolgen in den ärmsten Ländern der Welt benötigten Mittel wird von den reichen Ländern bereitgestellt. Gleichzeitig werden in China doppelt so viel Solar- und Windkraftanlagen installiert wie in der gesamten übrigen Welt. Offensichtlich wird in China die Politik nicht durch private Profitinteressen vereinnahmt. Offensichtlich ist die Regierung in der Lage, Investitionen durchzusetzen, die im langfristigen Interesse Chinas und der übrigen Welt sind. Mit der allein auf kurzfristige Maximalprofite, hohen Börsenkursen und entsprechenden Vorstandsboni fixierten Wirtschaftsweise und Politik des globalen Westens sind die Katastrophen vorprogrammiert. Ein System, das weder Willens noch in der Lage ist, die von ihm maßgeblich selbst verursachten Probleme anzugehen, dass allein den Interessen weniger Reicher dient, ist nicht durch die existentiellen Interessen der Menschheitsmehrheit legitimiert, ist entgegen eigenen Bekundungen höchst undemokratisch.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (25. November 2024 um 10:51 Uhr)
    Zitat: »Nach der UN-Klimakonferenz in Baku wird die Erderwärmung ungebremst voranschreiten.« Eine solche pauschale Aussage wird weder der Komplexität des Klimawandels noch einer sachlichen Analyse gerecht. Der Satz suggeriert, dass natürliche Klimaveränderungen, die die Erdgeschichte ununterbrochen begleiten, vollständig durch menschliche Maßnahmen kontrollierbar wären. Dies ist ein irreführender Gedanke, der den natürlichen Charakter vieler klimatischer Schwankungen außer Acht lässt. Ein Anspruch auf ein stabiles Klima, das sich nicht verändert, steht weder der Menschheit noch einer anderen Spezies zu – solche Vorstellungen verkennen die Dynamik unseres Planeten. Eine treffendere Formulierung wäre: »Die UN-Klimakonferenz in Baku hat es versäumt, ausreichend Maßnahmen zu beschließen, um die Folgen der Erderwärmung spürbar zu mildern, insbesondere für jene, die am stärksten betroffen sind.« Diese Aussage stellt nicht die Verantwortung der Menschheit zur Diskussion, angemessen auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren, sondern betont die Unfähigkeit, mit den Folgen eines sich wandelnden Klimas umzugehen – ein Aspekt, in dem wir nach wie vor erhebliche Defizite aufweisen. Es ist wichtig, dass Klimapolitik nicht den Eindruck erweckt, sie degradiere Menschen zu »Sündern«, weil sie grundlegende Bedürfnisse wie Heizen, Wohnen oder Bekleidung erfüllen. Solche Aktivitäten sind Teil unserer natürlichen Rolle innerhalb der Nahrungskette und der ökologischen Zusammenhänge. Gleichzeitig dürfen diese Grundtatsachen nicht als Vorwand dienen, um die notwendige Suche nach Anpassungsstrategien und globaler Gerechtigkeit zu vernachlässigen. Der Schlüssel liegt in einem realistischen Verständnis der Natur und unserer Verantwortung innerhalb ihrer Grenzen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. November 2024 um 00:39 Uhr)
    Kein Wunder, dass die Dreihundertsechzig-Grad-Expertin »die Konferenz … für einen Erfolg« hält. Das UBA schreibt nämlich in seiner »Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten« (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-12-21_methodenkonvention_3_1_kostensaetze.pdf) auf Seite 8: »Wir empfehlen die Verwendung eines Kostensatzes von 195 € / t CO2 äq für das Jahr 2020 bei einer Höhergewichtung der Wohlfahrt heutiger gegenüber zukünftigen Generationen und eines Kostensatzes von 680 € / t CO2 äq bei einer Gleichgewichtung der Wohlfahrt heutiger und zukünftiger Generationen.« Diese Kostenschätzung ist dem Bundestag (und der Bundesregierung) bekannt: https://www.bundestag.de/resource/blob/1021378/4edf15c87b75d74c51eb672f10703fcb/WD-5-104-24-pdf.pdf . Also, wir multiplizieren die Anzahl der Tonnen CO2 äq mit 680 Euro pro Tonne: 2.665,8 Fuels_Total Mt C * 680 Euro pro tonne CO2 äq * 1.000.000 * 44/12 = 6,65 * 10 hoch 12 Euro. Das ist der Schaden, den Deutschland von 1850 bis 2020 durch Kohlendioxidäqivalente verursacht hat, nicht ganz sieben Billionen. Der Faktor 44/12 verkörpert das Verhältnis der Molmasse von Kohlendioxid zur Atommasse von Kohlenstoff (Fuels_Total Mt C aus »Global Carbon Budget v2023 Dataset«). Übrigens: Das BIP der BRD war 2020 3,9 Billionen und das UBA schlägt 700 Euro pro Tonne CO2 für das Jahr 2030 als Schadenssumme vor. Soviel Butter zum viertgrößten Klimazerstörer muss bei Cornelia Möhring gemacht werden, auch wenn sie kein Fisch ist.

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