Klima bleibt Notfall
Von Wolfgang PomrehnAm Sonntag morgen ging in Aserbaidschans Hauptstadt Baku die diesjährige UN-Klimakonferenz nach ausgesprochen zähen Verhandlungen zu Ende. Im Zentrum der Verhandlungen standen die sogenannten Klimafinanzen, das heißt, der Bedarf für Anpassungsmaßnahmen und grüne Entwicklung in den ärmsten Ländern, und die Frage, wie viel die Industriestaaten dafür jährlich in einen Fonds einzahlen. Schließlich einigte man sich auf 300 Milliarden US-Dollar. Im vollen Umfang soll diese Summe erst ab 2035 fließen. Zunächst bleibt es bei den bereits 2009 verabredeten 100 Milliarden US-Dollar jährlich.
Am Bedarf geht das allerdings weit vorbei. Beim Deutschen Klimakonsortium (DKK), einem Zusammenschluss der verschiedenen hiesigen Klimaschutzinstitute, hieß es im Vorfeld der Konferenz, dass die gezahlte Summe bis 2030 auf eine Billion US-Dollar anwachsen müsse. Berechnungen internationaler Expertengremien, die vom DKK zitiert werden, kommen sogar auf eine Summe von 2,4 Billionen US-Dollar jährlich. Dabei geht es nicht nur um Vorkehrungen gegen die zunehmende Zahl und Intensität von Extremereignissen wie schwere Stürme und Hochwasser oder Dürren und Hitzewellen. Ebenso sind die Gelder dafür gedacht, den ärmsten und am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern dabei zu helfen, zum Beispiel ihre Energieversorgung mit klimafreundlichen Technologien aufzubauen.
Immerhin steht im Abschlussdokument, dass die Summe ab 2035 nun 1,3 Billionen US-Dollar betragen könnte. Eine Entscheidung hierüber soll erst 2030 fallen. Außerdem fehlt in der Erklärung jeder Hinweis auf »Schaden und Verlust«. Die Industriestaaten wehren sich weiter mit Händen und Füßen gegen jeden auch nur vagen Hinweis auf das Verursacherprinzip, weil sie nicht für den von ihnen angerichteten Schaden aufkommen wollen. Insofern dürften sie ganz froh gewesen sein, dass in Baku viel Energie darauf verwendet werden musste, die Fortschritte aus früheren Verhandlungen zu verteidigen. Einige Ölstaaten, allen voran Saudi-Arabien, wollten bestehende Vereinbarungen aufweichen. Das zumindest konnte verhindert werden, aber insgesamt war das Ergebnis in Baku so schwach, dass sich einige Entwicklungsländer dem Konsens verweigerten. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar unter dem Applaus aus Teilen des Saals als »Witz« und »Beleidigung«. Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise alleingelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hält die Konferenz hingegen für einen Erfolg.
Kritik hagelt es derweil von entwicklungspolitischen und Umweltorganisationen. Die reichen Länder seien ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, heißt es zum Beispiel beim World Wide Fund for Nature (WWF). »Die in Aussicht gestellten Gelder sind nicht mehr als ein Schluck Wasser vorm Verdursten. Das neue Finanzziel wird weder dem Blick in die Vergangenheit noch in die Zukunft gerecht: Die Industriestaaten haben die Klimakrise maßgeblich verursacht und müssen dafür zahlen«, meint WWF-Klimachefin Viviane Raddatz. Ein großer Teil des neuen Finanzziels soll nun von Entwicklungsbanken erbracht werden, kritisiert der WWF weiter. Es sei versäumt worden, »die Verschmutzerunternehmen über eine höhere Besteuerung in die Pflicht zu nehmen und fossile Subventionen in Billionenhöhe umzulenken.«
Auch Cornelia Möhring von der Gruppe der Linkspartei im Bundestag übt harsche Kritik. Deutschland habe sechs Milliarden Euro für den Klimafonds zugesagt, werde dies aber kaum einhalten. Die Absage der Reise des Bundeskanzlers nach Baku sei ein »Beleg für das klimapolitische Einknicken der einstigen Ampelregierung gegenüber AfD, Energiekonzernen und anderen fossilen Dinosauriern wie COP-Gastgeber Aserbaidschan«. Ihre Partei fordere, »dass Deutschland als historisch viertgrößter Klimazerstörer seiner historischen Verantwortung für die Klimakrise gerecht wird und die Hilfen für Länder des globalen Südens bedarfsgerecht aufstockt, statt weiter zu kürzen. Dazu gehört die Aussetzung der Schuldenbremse. Für mehr globale Umverteilung fordern wir mehr Steuereinnahmen, etwa durch eine globale Mindeststeuer für Superreiche und die sozialverträgliche Streichung umweltschädlicher Subventionen«, so Möhring.
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