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Aus: Ausgabe vom 25.11.2024, Seite 11 / Feuilleton
Comic

»Wer ist dieser Clown?«

Freunde der revolutionären Arbeiterklasse kommen nur teilweise auf ihre Kosten: Der neue Lucky-Luke-Band ist draußen
Von Heiner Kruschke
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Rätselspaß: Finden Sie den fünften Dalton

Der blonde Arbeiter schaut grimmig: »Keine Zeit! Heute wird gestreikt, Genosse!« Lucky Luke schaut überrascht, und der Leser, der vor etwa 30 Jahren das letzte Mal ein Heft der Reihe um den einsamen Reiter in der Hand hielt, auch.

Morris, der Schöpfer von Lucky Luke, bekannte einst, dass der Cowboy etwas langweilig geraten sei. Er schob diesen Makel auf den Verleger, der einen »perfekten« Helden haben wollte. Und tatsächlich: Der Kuhhirte arbeitet ohne Pause, macht zahllose Kleinganoven dingfest und bringt zwischendurch Rinder von A nach B – das alles für umme. Anspruchslos und bescheiden lebt er, der Gute, selbst das Rauchen hat er aufgegeben. Ein Traum der herrschenden Klasse.

Lucky Luke scheint also wie geschaffen für die Aufgabe in »Letzte Runde für die Daltons«, dem 102. Band der Reihe: Er soll einen Arbeitskampf in den Brauereien der US-Bierhauptstadt Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin schlichten.

Die liegt zwar weit ab vom Wilden Westen, aber dennoch sitzen die Menschen dort auf dem Trockenen. Keine Duelle, keine Hinrichtungen, kein Glücksspiel – ohne Alkohol schwindet der Sinn für gesetzlose Ausschweifungen, die die brutale Landnahme erträglich machen.

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Ganz aus der Luft gegriffen ist die Geschichte nicht. Im Jahr 1953 gab es einen legendären Brauereistreik in Milwaukee. Mehr als 7.000 Arbeiter gingen in sechs Brauereien in den Ausstand. 76 Tage lang blieben die Fässer leer. Die Gewerkschaften konnten letztlich ihre Forderungen durchsetzen. Und erst im September und Oktober dieses Jahres wurde in der Stadt in mehreren Brauereien wieder gestreikt, beispielsweise bei Miller.

Wie wir von Alice Cooper in »Wayne’s World« (1992) gelernt haben, bedeutet der Name Milwaukee übersetzt »Gutes Land«, laut anderen Interpretationen wäre auch »Versammlungsort« denkbar. Unwichtig, für Rockmusiker Alice Cooper ist etwas anderes entscheidend: Milwaukee ist die einzige US-Großstadt, die zwischen 1910 und 1960 von drei sozialistischen Bürgermeistern regiert wurde. Weil Milwaukees Sozialisten so gerne über das Kanalisationssystem der Stadt schwärmten, wurde ihre reformistische, »pragmatische« Politik auch als »Abwasserkanalsozialismus« (Sewer Socialism) bezeichnet.

Bier und Sozialismus machen also Milwaukee aus. Mitgebracht haben beides deutsche Einwanderer – und mit denen bekommt es der Cowboy Lucky Luke in seinem neuesten Abenteuer zu tun. Zu essen gibt es Sauerkraut, Schnitzel, und an der roten Ampel muss auch ein Revolverheld wie Lucky Luke stehen bleiben. Die spritzige Übertragung ins Deutsche sorgt dafür, dass die Aufreihung der Klischees nicht ermüdend wirkt.

Ganz reibungslos verläuft die Schlichtung des Streiks nicht. »Wer ist dieser Clown?« rufen die Arbeiter, als Lucky Luke sich bei einer Versammlung hinstellt und fordert, sie sollen die Produktion wieder aufzunehmen. »Genossen! Werft den Spion raus!« es hagelt Fäuste, die Polizei knüppelt alles nieder, auch der Cowboy wird verhaftet. Am Ende gibt er im Auftrag der Brauereibesitzer den Aufseher für die aus Gefängnissen herangekarrten Streikbrecher.

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Darunter seine ewigen Widersacher, die Daltons. Die wollen sich an die Streikkasse der Gewerkschaft heranmachen, und um nicht aufzufallen, tragen sie Lederhosen und nennen sich statt Joe, William, Jack und Averell nun Jörg, Wilhelm, Jakob und Hänsel. Als sie aber die Kiste im Gewerkschaftshaus öffnen, halten sie keinen Zaster in den Händen, sondern Karl Marx’ »Das Kapital«. »Man hat uns reingelegt!« entfährt es Jörg.

Übers Ohr gehauen werden aber nicht die Daltons, sondern die Arbeiter der Brauerei – so viel darf verraten werden, weil nicht anders zu erwarten. Das Bier fließt wieder, Arbeiter und Brauereibesitzer stoßen an. »Gute Stimmung beim Humpenproletariat«, stellt einer der Daltons fest.

Wie sollte es anders sein, der »glückliche Lukas«, wie er von den Deutschen genannt wird, vermittelt den faulen Kompromiss. Die Arbeiter bekommen nicht die Produktionsmittel in die Hand, dafür den »Übergang« in die 60-Stunden-Woche und 50 Cent mehr pro Tag. Hätten sie mal die Marx-Bände nicht in den Kisten verrotten lassen.

Achdé/Jul: Lucky Luke Nr. 102 – Letzte Runde für die Daltons. Egmont Ehapa Media, Berlin 2024, 48 Seiten, 7,99 Euro

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