Aus Leserbriefen an die Redaktion
Kuttersterben
Zu jW vom 19.11.: »Kuttersterben an der Küste«
Die Nordsee ist von Überfischung betroffen. Besonders betroffen sind Kabeljau und Hering. Ist eigentlich Geld und das Essen von Fisch wichtiger als die Überfischung? Die hat nämlich erhebliche Auswirkungen auf die Biodiversität und die Ökosysteme der Nordsee. Und das wird mit der Klimakatastrophe bestimmt nicht besser. Ich finde das Kuttersterben gut. Hoffentlich wird keine neue Fangflotte finanziert. Beim großen Zechensterben wurden doch auch die Bergleute subventioniert. Es sollte lieber Geld in die Hand genommen werden, die Fischer und die daran hängenden Jobs und Betriebe finanziell zu unterstützen, damit sie ihren Beruf aufgeben können. Umschulungen finanzieren oder mit Ausgleich früher in den Ruhestand. Hört auf, Fisch zu essen. Nicht nur die Nordsee ist überfischt.
Helmut Pruß, Dortmund
Von der Hand zum Tisch
Zu jW vom 19.11.: »Stotternde Maschine«
Das ist eben das wirklich Bedeutsame: Auch in der Politik entwickelt sich die Welt dialektisch. Alles enthält eben auch sein Gegenteil. Natürlich wackelt der Tisch um so heftiger, je stärker man draufhaut. Allerdings nehmen auch die Schmerzen in der Hand zu, die das veranstaltet. Und zum Schluss kann es sogar passieren, dass nicht die Tischplatte bricht, sondern die Hand. Manfred Sohn hat wunderbar dargestellt, dass der Westen gerade dabei ist, das wieder einmal nachzuweisen.
Joachim Seider, Berlin
Bock geschossen
Zu jW vom 19.11.: »Nachschlag: Pullis für die Front«
Zu Habocks fällt einem ja nicht mehr viel ein. Deren Agieren, insbesondere das Denunzieren, ließ mich aber jüngst an Herbert Grönemeyers Lied »Angst« von 1986 denken. Da gibt es die treffenden Zeilen: »Angst als Methode angewandt / Das Einschüchtern ist geplant / Angst stellt ruhig/ Angst kricht klein.« Grönemeyer ist zwar auf seiten der Bellizisten, hatte aber als Musikant seine Verdienste.
Patrick Büttner, Leipzig
Aufforderung zum Rechtsbruch
Zu jW vom 20.11.: »Autoritär und undemokratisch«
Ein sehr wichtiger Beitrag! Absolut richtig: Die Resolution fordert öffentliche Einrichtungen zu illegalen Handlungen, also zum Rechtsbruch auf! Nehmen wir mal den unbedingt sehenswerten Film »No other land«. Unwiderlegbar wird da gezeigt, wie die israelischen Militärbehörden im besetzten Westjordanland zuerst ein Gebiet als »militärisch notwendiges Übungsgelände« beschlagnahmen und zwangsräumen lassen, wobei persönliche Habe gestohlen bzw. zerstört und Widerstand auch mit scharfen, letztlich tödlichen Schüssen »bestraft« wird, und wie dann dort Siedlungen »nur für Juden« errichtet werden. Der israelische Staatsbürger und Jude Yuval Abraham nennt das Apartheid. Er darf das! Er darf das? Nicht in Deutschland! Die »Staatsräson« in Form dieser (formal ja unverbindlichen!) Resolution verbietet es, am Grundgesetz und allen möglichen Gesetzen vorbei, indem sie alle Veranstaltungen in öffentlichen Räumen zu verbieten sucht, die sich dieser israelkritischen Haltung anschließen. Das ist – der Hinweis auf Carl Schmitt ist unbedingt nötig! – m. E. nicht nur »autoritär und undemokratisch«, sondern auf diesem nicht unwichtigen politischen Feld präfaschistisch! Und nur die Linke und das BSW verteidigen hier mit bürgerlich-parlamentarischen Mitteln die bürgerliche Demokratie gegen ihre Zerstörer! Das wird jedoch nicht reichen!
Volker Wirth, Berlin
Insolvenzen kommen und gehen
Zu jW vom 7.11.: »Verdi zu den Plänen für Galeria in Berlin«
Seit August haben zwei Neue das Sagen bei Galeria Karstadt-Kaufhof. Richard Baker, Chef der US-Investmentfirma NRDC und die Beteiligungsfirma von Bernd Beetz. Sie reihen sich ein in das »Who’s who« der Eigentümer und CEOs von Karstadt und Kaufhof, angefangen mit Metro, Arcandor, Thomas Middelhoff, Walter Deuss, Berggruen, Hudson’s Bay Company, Benko und jetzt den zwei Neuen. Von den einst 450 Filialen sind noch 83 übrig und es wird sich zeigen, ob nach Weihnachten die 4. Insolvenz im 4. Jahr folgen wird; alle Zeichen deuten darauf hin: Top, die Wette gilt.
Den Eigentümern ist es egal, weil jetzt noch einmal die große Abzocke erfolgen soll. Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung haben ein »betriebliches Bündnis« mit jedem einzelnen Arbeitnehmer geschlossen. Wer unterschreibt, dem winken zwar schrittweise Gehaltserhöhungen, das Niveau des Flächentarifvertrags wird aber in diesem Jahrhundert nicht mehr erreicht. Der Beschäftigte gibt quasi sein Einverständnis zu dem abgesenkten Lohnniveau, das bis zu 30 Prozent niedriger ist, als es der Flächentarifvertrag im Einzelhandel vorsieht. Verdient die vollzeitbeschäftigte Verkäuferin gemäß dem hessischen Einzelhandelstarifvertrag 2.640 Euro im Monat, so sind das rund 14 Euro in der Stunde, also knapp über dem Mindestlohn. Davon 70 Prozent, das sind noch nicht einmal 10 Euro pro Stunde. Die Beschäftigten stimmen mit ihrer Unterschrift auch zu, dass sie keine weiteren Forderungen stellen, auch nicht nach Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Verdi hat diesem »betrieblichen Bündnis« schon zugestimmt, unter der Prämisse, dass 90 Prozent der Filialen und der örtliche Betriebsrat dem zustimmen. Das Quorum wurde kurzfristig erreicht: 78 von 83 Filialen haben zugestimmt. Die schlechte Nachricht: Das Insolvenzgeld beträgt 60 Prozent des letzten Nettolohns. Bei 10 Euro brutto pro Stunde macht das 7 Euro netto und demzufolge 4,20 Euro Insolvenzgeld pro Stunde, für eine Vollzeitbeschäftigte also 670 Euro im Monat, aus.
Die gute Nachricht: Bei Galeria Karstadt-Kaufhof gibt es seit Jahren keine Vollzeitbeschäftigten mehr. Bei Galeria Kaufhof gibt es auch keine Verdi-Mitglieder mehr, also hat sich die Frage »Tarifvertrag« auch schon seit Jahren erledigt. Und die in ihrer Mehrzahl ungelernt beschäftigten studentischen Aushilfskräfte werden ohne langes Zögern bei Edeka, Rewe oder Lidl anheuern können. Mit der nächsten Insolvenz im Jahr 2025 dürfte dann das Trauerspiel Galeria endlich vorbei sein.
Peter Balluff, Vöhl
Mit der nächsten Insolvenz im Jahr 2025 dürfte dann das Trauerspiel Galeria endlich vorbei sein.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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