Pistorius in Deckung
Von Kristian StemmlerBoris Pistorius hat der Debatte über die Kanzlerkandidatur der SPD den Stecker gezogen. Nach tagelangen heftigen Bemühungen, ihn anstelle von Olaf Scholz auf den Schild zu heben, erklärte der Verteidigungsminister am Donnerstag abend in einer Videobotschaft an die Parteimitglieder seinen »Verzicht«. »Soeben habe ich unserer Partei- und Fraktionsspitze mitgeteilt, dass ich nicht zur Verfügung stehe für die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers«, hieß es in dem Statement. Eine solche Erklärung hatten zuletzt mehrere SPD-Politiker von Pistorius gefordert. Parteichef Lars Klingbeil kündigte unmittelbar danach an, dass die SPD-Spitzen Präsidium und Bundesvorstand am Montag die Nominierung von Scholz als Kanzlerkandidat vorschlagen werden.
Pistorius nannte Scholz einen »hervorragenden Bundeskanzler«, erläuterte aber nicht, warum er die für die SPD wenig hilfreiche Debatte tagelang laufen ließ und noch am Montag eine Kandidatur ausdrücklich nicht ausgeschlossen hatte. Er versicherte aber, die Debatte nicht gewollt und sich nicht selbst ins Gespräch gebracht zu haben. Er freue sich auf eine zweite Amtszeit als Verteidigungsminister, führte Pistorius aus, und habe auf diesem Feld noch viele Projekte zu bearbeiten.
Der SPD-Kovorsitzende Lars Klingbeil verteidigte am Freitag den Kurs der Parteiführung. Natürlich müsse in der Partei diskutiert werden. Er sei ein Vorsitzender, »der nicht sagt Basta«, so Klingbeil bei einer SPD-Konferenz zur Kommunalpolitik in Berlin. Klingbeil rief die SPD dazu auf, geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen: »Die Aufholjagd, die beginnt jetzt, und da brauchen wir euch.« Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mahnte am Donnerstag abend Geschlossenheit an. Er vertrat die Ansicht, dass Scholz’ Ansehen auch durch die Notwendigkeit von Kompromissen in der Ampelregierung gelitten habe. Nun gebe es aber eine völlig neue Situation.
Bei der kommunalpolitischen Veranstaltung in Berlin trat am Freitag auch Scholz auf und machte deutlich, mit welchen Themen er seinen Wahlkampf bestreiten will. Er bekräftigte seine Ablehnung der Lieferung des Marschflugkörpers »Taurus« in die Ukraine, forderte eine Reform der Schuldenbremse und mehr bezahlbaren Wohnraum. Auf die tagelange Debatte über seine erneute Kanzlerkandidatur ging er mit keinem Wort ein.
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