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Aus: Ausgabe vom 26.11.2024, Seite 8 / Ansichten

Frei von fremder Macht

Streit zwischen Niger und EU
Von Jörg Kronauer
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Niger gibt nicht nach. Da hat die EU Ende vergangener Woche, Empörung und Unmut demonstrierend, ihren Botschafter in Niger, Salvador Pinto da França, förmlich nach Brüssel zurückgerufen, nachdem die nigrischen Behörden es gewagt hatten, den Mann zu kritisieren. Was war geschehen? Da França hatte, so lautet die Version der EU, lediglich Hilfen an die Opfer der Überschwemmungen verteilt, die Niger seit Juni verwüstet hatten: humanitäres, ja selbstloses Engagement im besten Sinne. Die Version, die Niamey mitteilt, lautet anders. Demnach hat da França eigenmächtig und ohne Abstimmung mit den zuständigen Behörden großzügig Mittel vergeben – ein Schritt, der es Brüssel erlaubt, faktisch in den Sahelstaat hineinzuregieren. Die nigrische Regierung hat, wie sie schreibt, den Botschafter im Oktober verwarnt und dann Druck gemacht, woraufhin die EU da França, wie erwähnt, zurückrief. Niamey aber lässt sich nicht mit EU-Hilfsgeldern erpressen: Am Sonntag erklärte die Regierung, sie sehe sich nicht mehr in der Lage, mit da França zu kooperieren. Wolle die EU in Niger präsent bleiben, müsse sie einen anderen Botschafter entsenden.

Worum geht es wirklich? Zum einen hat der Streit zwischen Niger und der EU ganz praktische Gründe. Der Sahelstaat kämpft seit genau 16 Monaten um echte Unabhängigkeit – vor allem von Frankreich, aber auch von den anderen Staaten des Westens. Paris betrieb zunächst mit einer – kurz vor Start geplatzten – raschen Militärintervention, dann mit Hilfe der Drohung mit einem Einmarsch von ECOWAS-Truppen, alternativ mit umfassenden ECOWAS-Sanktionen den Sturz der nigrischen Übergangsregierung. Mittlerweile hat eine neue Phase des Machtkampfs begonnen, in der Niger sich von Tuareg-Milizen bedroht sieht, die offenbar enge Beziehungen nach Paris haben, und in der das Land darüber hinaus Ziel von Machenschaften des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE ist. Eine fremde Macht, die in dieser Situation unkontrolliert Hilfen verteilt – das kann die Übergangsregierung in Niamey sich nicht leisten. Man weiß schließlich, was geschah, als die EU und ihre Mitgliedstaaten, sagen wir: Hilfen auf dem Kiewer Maidan verteilten. Beispiele dieser Art gibt es zur Genüge.

Dann wäre da aber auch noch die allgemeine Ebene. Niger hat sich nicht mit Frankreich angelegt, um sich von der nächstbesten westlichen Macht – und sei es die EU – in altbekannter Kolonialherrenmanier abschätzig behandeln und seine Souveränität aushöhlen zu lassen. Die Regierung in Niamey hat angekündigt, dass sie lieber auf die Hilfsgelder der EU verzichtet, als sich erneut Europäern unterzuordnen. Man tut gut daran, ihr neues Selbstbewusstsein ernstzunehmen. Dass wiederum die EU darauf beharrt, in Niger zu tun und zu lassen, was sie will, zeigt einmal mehr: Es hat seinen Grund, dass Afrika sich immer mehr China, Indien, Russland und der Türkei zuwendet. Die waren auf dem Kontinent nie Kolonialherren, und sie treten dort auch nicht als solche auf.

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