Neueste älteste Buchstaben
Von Felix BartelsOrdentlich Schwung in der Grammatologie. In der Frage genauer, wie weit sich das Phänomen der Schrift anhand materieller Funde zurückdatieren lässt. Unlängst erst hat man an der Universität Bologna die Schrift überhaupt bis auf 5.400 Jahre zurückverfolgt, als älteste Zeugnisse gelten nunmehr Tontafeln in Uruk, aus denen später die Protokeilschrift hervorging. Nun haben Archäologen der Johns Hopkins University in Baltimore das Alter der Alphabetschrift weitern können. Anhand von etwa 4.400 Jahre alten Tontafeln aus dem im nördlichen Syrien gelegenen Umm-el-Marra.
Die Erfindung der Schrift, der Übergang also von der oralen zur literalen Gesellschaft, markiert eine der großen technischen Revolutionen der Geschichte, tiefer und weiter in ihrer Wirkung auf das menschliche Leben als etwa Industrialisierung oder Digitalisierung. Dieser Übergang aber hat selbst Etappen. Die früheste Form der Schrift waren bildhafte Zeichensysteme, sie lassen sich als Spuren in späteren Systemen (auch in unserem Alphabet) identifizieren. In der Bildschrift trägt das einzelne Zeichen eine Bedeutung, eben deshalb aber bleibt sie semantisch. Syntaktische Beziehungen lassen sich nur schwer abbilden, über das einfache Thema-Rhema- bzw. Subjekt-Prädikat-Objekt-Schema hinaus langt es kaum. Mit der Silbenschrift (deren älteste bekannte Vertreterin die erwähnte Protokeilschrift ist) ändert sich der Bezug der Zeichen. Der Schreibende bezeichnet nun nicht mehr Objekte oder Verbalinhalte, er bildet gesprochene Laute und damit die komplexen syntaktischen Beziehungen des Sprechens ab (Konjugation etwa). Der Unterschied von Silben- und Alphabetschrift liegt nun darin, dass das Alphabet, dessen Zeichen für sich ebenso ohne Inhalt sind, die gesprochenen Laute in kleinere Elemente (Konsonanten, Vokale) auftrennt. Der Grad der Abstraktion erhöht sich ein weiteres Mal, und technisch gesehen wird das Schriftsystem variabler und weniger aufwendig. Nicht zuletzt deshalb ist von Belang, die Geschichte der Alphabetschrift von der Geschichte der Schrift überhaupt zu unterscheiden.
Das Archäologenteam um Glenn Schwartz hat mit der Auswertung der Artefakte von Umm-el-Marra den frühesten Nachweis einer Alphabetschrift um 500 Jahre verschoben. Bei Ausgrabungen von um 2400 v. u. Z. angelegten Gräbern stieß man auf vier rund vier Zentimeter lange Plättchen aus gebranntem Ton, auf denen Zeichen eingeritzt wurden, die die Forscher als Frühformen der alphabetischen Schrift interpretieren. Die Bedeutung der Zeichen bleibt vorerst unklar. Da die Tonstücke offenbar Teile eines Gefäßes waren, vermutet das Team, dass die Zeichen ein Etikett repräsentieren, mit Angaben möglicherweise zu Inhalt, Herkunft und Besitzer des Gefäßes.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. November 2024 um 21:17 Uhr)… und was ist mit dem Ishango-Knochen? Von dem weiß man nicht so genau, ob er zwanzig oder zehntausend Jahre alt ist. Aber auf ihm sind Kerben, die man mit »rechnen« verbinden und als mathematische Objekte interpretieren könnte. Also schon Schrift oder nur Mathematik? Damit soll nicht gesagt sein, dass jeder Knochen aus der Steinzeit ohne Kerbe die Null repräsentiert, eine der wichtigsten Erfindungen der Mathematik also schon uralt ist.
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vom 26.11.2024