Linker Zusammenschluss
Von Carmela NegreteSeit dem Sommer existiert eine neue europäische Linkspartei, deren Mitgliedsorganisationen auch im EU-Parlament vertreten sind. Ihr Name lautet »Allianz der Europäischen Linken für die Menschen und den Planeten« (ELA). Mitbegründer der neuen Formation sind die französische Partei La France insoumise, der portugiesische Bloco de Esquerda, die spanische Podemos, die polnische Lewica Razem sowie die nordischen Grünen: das finnische Linksbündnis Vasemmistoliitto, die schwedische Linkspartei Vänsterpartiet sowie die dänische Enhedslisten – De Rød-grønne.
In der programmatischen Erklärung von ELA heißt es, dass die Allianz »grün-linke feministische Parteien vereint, um ein anderes Europa aufzubauen – ein Europa der Zusammenarbeit, des sozialen Fortschritts und der Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter, des Friedens, der Solidarität, der Gleichheit, der Klimagerechtigkeit, des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung –, das das neoliberale Dogma ablehnt«. Die Partei bezeichnet sich als antikapitalistisch und setzt sich »für die Verteidigung des Völkerrechts, demokratischer Institutionen und der Menschenrechte«, sowie für »eine nachhaltige und inklusive Zukunft für alle« ein. Obwohl sie im September offiziell vorgestellt wurde, hat die neue Linkspartei bisher wenig Aktivität gezeigt. Auf den entsprechenden Social-Media-Kanälen wurde bis Redaktionsschluss am 26. November kein einziger Beitrag veröffentlicht.
Neben Zielen wie die Bekämpfung des Klimawandels oder Angaben, wonach der Feminismus »der Motor des politischen Wandels« werden solle, streben die teilnehmenden Parteien mehr soziale Gerechtigkeit mittels höherer Steuern für Reiche an und fordern in Fragen der Migration »Solidarität statt eine Festung Europa«. Zur Kriegsfrage erklärt die Allianz, dass »alle Menschen der Welt das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung« haben. Kritisiert wird der »russische Einmarsch in die Ukraine und der Genozid in Gaza verbunden mit Israels illegaler Besetzung palästinensischer Gebiete« und gefordert, »dass die EU konsequent im Einklang mit dem Völkerrecht handelt und sich für einen Frieden einsetzt, der auf Gerechtigkeit basiert«.
Die Besetzungen fremder Gebiete »müssen beendet und einmarschierende Truppen abgezogen«, die »Unterstützung für die besetzten Völker muss verstärkt« werden. Dabei spricht sich ELA sehr wohl für Sanktionen gegen Russland und Israel aus. Die EU solle sich auf »die Verteidigung der Menschenrechte, des Völkerrechts und auf die Wiederherstellung diplomatischer Bemühungen für einen gerechten Frieden konzentrieren«. Diese Ziele unterscheiden sie nicht sonderlich von denen der seit 2004 bestehenden Partei der Europäischen Linken.
Im Gespräch mit junge Welt war es Isa Serra, Podemos-Abgeordnete im EU-Parlament und zugleich Koordinatorin der Partei in der Autonomen Gemeinschaft Madrid, wichtig zu betonen, dass die Gründung der ELA »keine Abspaltung, sondern eine Bereicherung« für die Parlamentsfraktion The Left (GUE/NGL) sei. In der parlamentarischen Gruppe sind auch Vertreter von Parteien vereint, die nicht Mitglieder der Partei der Europäischen Linken sind. Erwartet werden mit dem Parteiprojekt mehr finanzielle Mittel für die politische Arbeit und eine neue Plattform, die, so Serra, »mit einer neuen politischen Kultur einhergeht, die nicht unbedingt in der klassischen kommunistischen Tradition steht«.
Hervorgegangen ist die »Allianz der Europäischen Linken für die Menschen und den Planeten« aus der 2018 von Jean-Luc Mélenchon (La France insoumise), Pablo Iglesias (Podemos) und Catarina Martins (Bloco de Esquerda) ins Leben gerufenen Plattform »Now the People«. Mitglied dieser Plattform war seinerzeit auch die deutsche Linkspartei, die allerdings Teil der Partei der Europäischen Linken geblieben ist.
Der neuen Formation sei wichtig, dass feministische Positionen im Zentrum des politischen Handelns stehen müssen, sagt Serra. Man wolle das politische Spektrum um einen Parteienzusammenschluss erweitern, der »Haltung gegen den Krieg und nicht für einen der beiden Blöcke – hier die USA, dort Russland« einnimmt. Ihr sei bewusst, dass auch die Gründungsparteien der ELA mit internen Widersprüchen leben müssen. Und die gibt es in der Tat. Die skandinavischen Parteien haben zum Krieg eine andere Position als etwa die Spanier von Podemos, die sich strikt gegen Waffenlieferungen aussprechen. Podemos wolle aber innerhalb der Allianz diskutieren und für ihre Haltung werben. Anders als von Kritikern behauptet, sei ELA keineswegs eine Pro-NATO-Partei, versichert Serra. Im Übrigen gebe es »auf der anderen Seite Parteien wie die Vereinigte Linke in Spanien, die Mitgliedsorganisation der Europäischen Linkspartei ist, und deren Chef die Waffenlieferungen der spanischen Regierung verteidigt hat«.
Die EU sei inzwischen ein Projekt, »das den Krieg als Strategie nutzt, um der neoliberale Krise und der aufstrebenden multipolaren Welt zu begegnen«. Das füge sich ein in die Strategie der NATO und diene letztlich den Interessen der USA. Der Vormarsch der extremen Rechten erfordere Kühnheit und neue Bündnisse für den Frieden, keine konkurrierenden Organisationen.
Hintergrund: Europäische Linkspartei
Vor 20 Jahren herrschte unter vielen Linken, darunter nicht selten Angehörige übriggebliebener kommunistischer Parteien in Westeuropa, die fehlerhafte Vorstellung, die Bedeutung der Nationalstaaten nehme insbesondere innerhalb der Europäischen Union immer weiter ab. Nahe schien also damals zu liegen, eine gemeinsame europäische Linkspartei zu stiften. Die Partei der Europäischen Linken (EL) wurde im Mai 2004 in Rom gegründet. Federführende Partei war damals die italienische Rifondazione Comunista unter ihrem Vorsitzenden Fausto Bertinotti, der zugleich auch den ersten Vorsitz der neugegründeten Formation bekleidete. Maßgeblich beteiligt waren seinerzeit auch der französische PCF und der spanische PCE – zusammen mit den Italienern von der Rifondazione, hervorgegangen aus dem PCI, waren das also jene drei Gruppierungen, die wenige Jahrzehnte zuvor die Strömung des Eurokommunismus repräsentiert hatten. Als weitere einflussreiche Kräfte durften der portugiesische Bloco de Esquerda, die griechische Partei Syriza und nicht zuletzt die deutsche PDS – später Die Linke – gelten. Da mit den Gründungsstatuten der EL eine Anerkennung der Strukturen der EU einherging, stieß die Partei von Anfang an auf Ablehnung anderer kommunistischer Parteien, so von seiten des portugiesischen PCP und vor allem der griechischen KKE.
Eine ernsthafte Wirkung konnte die EL nie entfalten, das Profil blieb diffus, die Mitgliedsparteien wie die jeweils von ihnen repräsentierten sozialen Milieus zu heterogen. Die wachsende Bedeutungslosigkeit der von Anfang an bedeutungslosen EL mag auch dadurch angezeigt sein, dass die Rifondazione als maßgebliche Gründungspartei heute bestenfalls noch eine Internetexistenz fristet, aber ansonsten von der politischen Bildfläche verschwunden ist. Derzeitiger Vorsitzender der EL ist Walter Beier von der österreichischen KPÖ. (db)
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