Kultur ohne Struktur
Von Max OngsiekSchock und Enttäuschung über die Kürzungsorgie im Haushalt des Berliner Kultursenats sind in der Kulturszene noch immer groß. Um rund 130 Millionen, also zwölf Prozent, soll der Etat gekürzt werden. Die Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung (SKWK), die von der kulturpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Manuela Schmidt als »Motor und Vorbild« für Chancengerechtigkeit in der Berliner Kulturlandschaft gelobt wird, soll aufgelöst werden. Wie am Montag in der Kulturausschusssitzung des Berliner Abgeordnetenhauses angekündigt, hat der Kultursenator Joe Chialo (CDU) am Dienstag für den Kürzungshaushalt gestimmt. Auch eine Petition mit 105.000 Unterschriften, die den Schutz der Berliner Kultur vor finanziellem Schaden fordert, konnte ihn nicht umstimmen.
Ironischerweise führt der Kultursenator genau die Stiftung auf die Schlachtbank, der er als Stiftungsratsvorsitzender vorsteht. Es handle sich bei der Stiftung um eine unter der rot-rot-grünen Koalition 2019/20 »sorgfältig aufgebaute« Infrastruktur, sagte SKWK-Pressesprecherin Betina-Ulrike Thamm gegenüber jW. Ihre Abwicklung wäre ein herber Verlust für die Berliner Kulturszene, da sie mit ihren rund 100 Mitarbeitern nicht nur als kulturpolitische Schnittstelle fungiert, sondern auch, wie die Vertreter der Verdi-Betriebsgruppe der SKWK betonen, »wichtige Querschnittthemen« für den gesamten Berliner Kulturbetrieb bedient.
Unter dem Dach der SKWK versammeln sich vier Initiativen sowie die Tochtergesellschaft Kulturraum Berlin gGmbH (KRB). Die Stiftung selber stellt die Bereiche wie folgt vor: Die Diversity Arts Culture (DAC) biete »spartenübergreifende Antidiskriminierungsberatung« für Künstler und Kulturtätige an. Das Institut für kulturelle Teilhabeforschung (iktf) untersuche als »unabhängiges Forschungsinstitut« »Bedingungen für kulturelle Teilhabe« und stelle »umfassende Daten« für »Kultureinrichtungen, Politik und Verwaltung« zur Verfügung.
»Kultur_formen« will durch Projektförderung »die Verbindung von Kunst, Kultur, Bildung und Stadtgesellschaft« stärken. Zielsetzung des Servicezentrums Musikschule (szm) ist dagegen die administrative Unterstützung der öffentlichen Berliner Musikschulen. Das Zentrum steuere und unterstütze außerdem die berlinweite Verwaltungssoftware MS-IT.
Aufgabe der Kulturraum gGmbH (KRB) sei, »Räume« für Kunst und Kultur zu sichern und als »Vermittlerin zwischen Verwaltung, Immobilienwirtschaft und Kulturszene« neu zu erschließen. Laut Daniel Jakobson, dem Pressesprecher der Kulturraum Berlin gGmbH, stellt die KRB aktuell 3.000 Arbeitsräume für Kulturschaffende zur Verfügung.
Tatsächlich hat Joe Chialo, dessen Gebaren sich in der Kürzungsdebatte auf zur Schau getragene Jovialität und einen bunten Strauß von leeren Versprechungen reduzierte, nicht nur die Zerschlagung der Stiftung im Sinn. Laut »Konsolidierungsliste« des Senats sollen die Aufgaben der Stiftung in Zukunft sogar von der Kultursenatsverwaltung selbst wahrgenommen werden. Die Koalition »lüge sich in die Tasche«, so Linke-Politikerin Schmidt, auf jW-Anfrage, wenn sie »jetzt sagt, sie wickelt aus Spargründen die aufgebaute Struktur und Expertise ab, um sie selbst in gleicher Qualität und im gleichen Umfang anzubieten.«
Die beiden Verdi-Betriebsgruppenvertreter der SKWK, Sandrine Micossé-Aikins und Lisa Scheibner, stellen Sinn und Nutzen der Senatspläne gegenüber jW in Frage: »Unserer Einschätzung nach ist die Übertragung der genannten Aufgaben in die Senatsverwaltung unmöglich und vermutlich auch nicht ernst gemeint. Wir erwarten eher, dass die Dienstleistungen weitestgehend abgeschafft werden sollen.« Darüber hinaus sei »die Verwaltung mit ihren Strukturen für diese Progamm- und auch wissenschaftliche Forschungsarbeit völlig ungeeignet«, so SKWK-Pressesprecherin Betina-Ulrike Thamm.
Die »Konsolidierungsliste« sah ursprünglich sogar einen Zuschuss für die Stiftung von 5.258.000 Millionen vor. Tatsächlich hatte die SKWK selbst einen Sparvorschlag erarbeitet, in dem sie sich an »die Vorgaben der Senatskulturverwaltung« hielt, der aber unberücksichtigt blieb. Die damals noch zehn Prozent wären schon »ein schmerzhafter Einschnitt gewesen«, mit der »Abwicklung hingegen haben wir nicht gerechnet.«
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