Schule ist ungesund
Von Susanne KnütterDie Schulrealität eines zehnjährigen Kindes sieht in Deutschland im Durchschnitt ziemlich grau aus: Der Schulhof ist asphaltiert. In der Kantine gibt es oft nicht so leckeres und dann auch nicht mal besonders gesundes Essen. Trotzdem müssen Familien sich selbst das erst einmal leisten können. Es gibt keinen Raum für Entlastung oder Bewegung, keine Anlaufstelle bei Problemen. Wer sich an Lehrer wendet, stößt schnell an deren Kapazitätsgrenzen (denn insgesamt fehlen bundesweit an die 85.000 Lehrkräfte). Wer dann vielleicht noch eine chronische Krankheit hat, für den wird die Schule zur Herausforderung. So beschrieb es Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit bei der Vorstellung des Kindergesundheitsberichtes 2024 am Dienstag in Berlin. In diesem Jahr widmet sich die Studie dem Komplex Schule und Gesundheit.
Der Befund ist nicht gut. Mindestens 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden demnach an Adipositas. Ein großer Anstieg seit der Coronapandemie. 14 Prozent der Kinder haben schon Erfahrung mit Mobbing machen müssen, sieben Prozent mit Cybermobbing. 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler gelten als behandlungsbedürftig wegen mentaler Leiden – auch das ein Anstieg seit den Pandemiejahren. Im internationalen Vergleich bewege sich die BRD bei der Ernährungsgesundheit von Kindern und Jugendlichen im Mittelfeld, erläuterte Martin Weber von der Weltgesundheitsorganisation. Bei der mentalen Gesundheit liege Deutschland im unteren Mittelfeld.
Schule als Sozial- und Lebensraum, wo Kinder und Jugendliche einen so großen Teil ihrer Zeit verbringen müssen, könnte und sollte deren Wohlbefinden und Gesundheit fördern. Das würde auch psychischen und körperlichen Gesellschaftskrankheiten vorbeugen, urteilt der Bericht, – und den Kosten, die dadurch entstehen. Weit gefehlt. In Deutschland werden die Bedürfnisse der Kinder – strukturell bedingt – regelrecht missachtet, schlussfolgern Koletzko und seine Forschungskollegen.
Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass die BRD selbst minimale Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung nicht ausschöpft. In Italien sei die frische Zubereitung von Schulessen Pflicht. In Großbritannien sei die »daily mile« während des Schulalltags eingeführt worden, um Bewegung zu fördern. In Luxemburg und der Schweiz gebe es Gesundheitsfachkräfte, die etwa diabeteskranken Kindern einen reibungslosen Schulalltag ermöglichen, einen Überblick über die Krankheiten der Schüler und Lehrer haben und Ansprechpartner bei physischen wie psychischen Problemen sind. Wo sie fest etabliert sind, komme es seltener zu Noteinsätzen und müssten Kinder seltener nach Hause geschickt oder abgeholt werden. In Deutschland gebe es solche Programme nur als Modellprojekt. Nachdem Bundestag und Bundesrat die Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderpflegekraft zugunsten einer generalisierten Pflegeausbildung abgeschafft haben, mangele es bereits an Kinderkrankenschwestern in den Kliniken. Illusorisch anzunehmen, unter den Bedingungen könnten Gesundheitsfachkräfte flächendeckend an Schulen etabliert werden.
Zynisch verwies Koletzko auf ein aus seiner Sicht richtiges Ziel, das die Kultusministerkonferenz bereits vor 50 Jahren formuliert hatte: Es brauche mindestens einen Schulpsychologen für jeweils 5.000 Schülerinnen und Schüler. Bis heute sei das Ziel nur in 6 von 16 Bundesländern erreicht. Dabei müsste die Vorgabe wegen der starken Zunahme psychischer Belastungen und Erkrankungen bei Schülerinnen und Schülern sogar deutlich angepasst werden.
Mehrmals in der Pressekonferenz wurde Nelson Mandela mit den Worten bemüht: Eine Gesellschaft messe sich daran, wie sie ihre Schwächsten behandelt. In der BRD ist nicht einmal gewährleistet, dass alle Schüler nach der Grundschule schwimmen können. Sportanlagen sind nach Schulschluss geschlossen. Während der Pandemie wurden ausgleichende Schulangebote wie Musik, Kunst, Sport als erstes gestrichen. Geholfen hat das nicht. Nicht einmal bei der Wissensvermittlung.
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