SWAPO droht Machtverlust
Von Christian Selz, KapstadtDie Tendenz ist alarmierend. Von 87 Prozent der Stimmen 2014 rutschte Namibias Regierungspartei SWAPO bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2019 auf 56 Prozent ab. Bei der Abstimmung am heutigen Mittwoch könnte die ehemalige Befreiungsbewegung, seit der Unabhängigkeit 1990 ununterbrochen an der Macht, nun ein ähnliches Schicksal wie den ANC im benachbarten Südafrika ereilen. Er hatte im Mai erstmals in 30 Jahren Demokratie seine absolute Mehrheit verloren. Doch nicht nur in der Geschichte der beiden Parteien zeigen sich Parallelen, auch die drängendsten Probleme und deren Ursachen sind ähnlich.
19,42 Prozent der Namibier im erwerbsfähigen Alter waren 2023 arbeitslos. So zumindest schätzt die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) den Jobmangel in dem südwestafrikanischen Land auf Basis ihrer Rechenmodelle ein. Vieles spricht dafür, dass die Realität noch weitaus schlimmer aussieht. Namibias Regierung hatte die Beschäftigungssituation im vergangenen Jahr eigentlich ihrerseits in einer Volkszählung mit abfragen lassen, die entsprechenden Werte aber nicht veröffentlicht. Es ist kaum anzunehmen, dass sie im Wahlkampf Zahlen versteckt hätte, die besser waren als die der IAO. 2021 jedenfalls wurden auch schlechte Nachrichten noch kundgetan: 43 Prozent aller Namibier, so stand es seinerzeit in einem Regierungsbericht, litten damals unter »multidimensionaler Armut«. Gemeint war damit nicht nur die finanzielle Situation, sondern auch fehlender Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen staatlichen Dienstleistungen.
Namibia ist bis heute das Land, in dem der Unterschied zwischen Arm und Reich weltweit am zweitgrößten ist. Eine stärkere Ungleichverteilung weist lediglich Südafrika auf. Beide Länder – Südafrika hielt Namibia bis 1990 besetzt – haben offensichtliche Schwierigkeiten, das schwere Erbe von Kolonialismus und Apartheid zu überwinden. In beiden Staaten sind vormals sozialistische Befreiungsbewegungen recht bald nach der Überwindung des alten Rassistenregimes auf einen neoliberalen Kurs umgeschwenkt: Die Verbrechen der Vergangenheit sollten hauptsächlich durch Schaffung einer schwarzen Kapitalistenklasse kompensiert werden. Eine wirklich gerechte Umverteilung konnte so nie stattfinden.
Besonders für die Jugend beider Länder ist die Situation heute gleichermaßen ernüchternd und perspektivlos. In Namibia waren 2018 laut einer Studie der Nationalen Planungskommission, angesiedelt im Büro des Präsidenten, in der Altersgruppe der 15- bis 34jährigen 46,1 Prozent ohne Job. Weil zugleich 50,2 Prozent der Stimmberechtigten jünger als 35 sind, steht die SWAPO vor einem wachsenden Problem. Der Lack der Befreiungsbewegung ist ab, der historische Bonus aufgebraucht. Die Hauptthemen im Wahlkampf sind Korruption – die einer Regierungsumfrage aus dem Jahr 2020 zufolge als Haupthemmnis bei der Schaffung von Arbeitsplätzen gesehen wird – und besagte Arbeitslosigkeit.
Netumbo Nandi-Ndaitwah ist sich der Lage selbstredend bewusst. Die Spitzenkandidatin der SWAPO – sie wäre die erste Frau an der namibischen Staatsspitze – versprach zur Vorstellung des Wahlprogramms im September eine Beschäftigungsoffensive für den Fall ihres Einzugs ins Präsidialamt. Investitionen von 85,7 Milliarden Namibia-Dollar (4,5 Milliarden Euro) sollen in den kommenden fünf Jahren exakt 256.538 neue Arbeitsplätze schaffen. Doch so konkret das Ziel auch formuliert ist, so vage bleiben die Finanzierungspläne und so ungeklärt bleibt die Frage, warum die SWAPO-Regierung dieses Vorhaben nicht längst in Angriff genommen hat.
Eine überzeugende Antwort auf die sozioökonomische Lage des Landes ist allerdings auch bei der obendrein fragmentierten Opposition nicht auszumachen. Nandi-Ndaitwahs chancenreichster Kontrahent ist in Panduleni Itula, ein ehemaliger SWAPO-Politiker, der 2019 entgegen den Parteistatuten als unabhängiger Kandidat antrat und fast 30 Prozent der Stimmen erreichte. Nach dem Ausschluss aus der SWAPO gründete er seine neue Partei Independent Patriots for Change, mit der er nun erneut kandidiert. Das Programm basiert auf Selbstverständlichkeiten wie einer sauberen Regierungsführung, dem Kampf gegen Armut und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Selbst eine linke Kraft wie das laut Eigendarstellung marxistische Landless People’s Movement setzt dabei auf Förderung der freien Marktwirtschaft und Auslandsinvestitionen. Erreicht keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit, kommt es zu einer Stichwahl.
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