Melonis illegale Lager
Von Carmela NegreteDie ultrarechte italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni muss derzeit zusehen, wie ihre Pläne, Tausende Geflüchtete in albanischen Lagern zu internieren, scheitern. Italienische Medien berichten, dass die letzten italienischen Sozialarbeiter sowie etwa 250 Polizisten, die dort im Einsatz waren, nach Italien zurückbeordert wurden. Die teuren Kasernen, die seit ihrer Eröffnung am 11. Oktober leer stehen, wurden ursprünglich für bis zu 3.000 Schutzsuchende gebaut, die in der EU Asyl beantragt hatten. Bisher wurden jedoch nur 24 Geflüchtete dort untergebracht.
Ein Gericht in Rom hatte Anfang vergangener Woche die Praxis für illegal erklärt, da die Asylanträge von Personen, die bereits EU-Boden betreten hatten, nicht außerhalb der EU bearbeitet werden dürfen. Das Abkommen mit Albanien hätte über fünf Jahre hinweg rund eine Milliarde Euro gekostet.
Die postfaschistische Politikerin Meloni hatte versucht, das Gerichtsurteil zu umgehen. Dies betraf etwa sieben Personen aus Bangladesch und Ägypten – beides »sichere Herkunftsländer« –, die von der italienischen Küstenwache gefangengenommen und nach Albanien gebracht worden waren. Sie mussten jedoch zurück in die italienische Hafenstadt Brindisi gebracht werden. Die Opposition kritisierte, dass allein der Transport dieser Personen mit einem italienischen Militärschiff nach Albanien etwa 250.000 Euro gekostet habe.
»Sie haben einen Berg von Geld ausgegeben und mit den Rechten der Menschen gespielt«, schrieb die links-grüne Abgeordnete Elisabetta Piccolotti von der Partei Alleanza Verdi e Sinistra am 22. November auf ihrem Instagram-Account. »Dies wird als beschämendes Kapitel in die Geschichte unseres Landes eingehen.«
Die italienische Regierung hatte die Lager in Albanien als Lösung präsentiert, um die Migration zu reduzieren. Doch entgegen der Behauptung eines »Pull-Faktors« durch humane Asylpolitik hatte diese harte Linie wenig an der Zahl der ankommenden Flüchtlinge geändert. Im Gegenteil: Diese ist durch Kriege, den Klimawandel und andere Gründe zuletzt sogar gestiegen. Meloni hatte mit dem Thema Wahlkampf gemacht und versprach, die Migration zu reduzieren. Ihr Abkommen mit Tunesien – einem Land ohne Mindeststandards für den Umgang mit Migranten – stieß ebenfalls auf Kritik. Trotz des juristischen Rückschlags bleiben die Lager in Albanien laut der Nachrichtenagentur ANSA weiterhin geöffnet.
Für die EU unter der Führung von Ursula von der Leyen ist Melonis Rückschlag eine herbe Lektion. Die Christdemokratin hatte die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, wie sie ursprünglich Großbritannien mit dem »Ruanda-Deal« plante, im Juni noch als »Priorität« bezeichnet. Der im April verabschiedete EU-Asyl- und Migrationspakt wurde von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, da er die Inhaftierung von Geflüchteten – auch Minderjährigen – während des Asylverfahrens erlaubt.
Immer mehr EU-Staaten weichen in Migrationsfragen von geltendem EU-Recht ab, darunter die Bundesrepublik, die seit Monaten Grenzkontrollen durchführt. Dass jedoch selbst die inzwischen zerbrochene Ampelkoalition Melonis Pläne hinter verschlossenen Türen als mögliches Modell betrachtete, wie Euractiv am 20. September aus internen Quellen berichtete, zeigt eine neue Härte gegenüber Schutzsuchenden. Die CDU fordert solche Maßnahmen mittlerweile offen und das Grundrecht auf Asyl »an die aktuelle Situation anzupassen«, wie es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer noch im Oktober euphemistisch formulierte.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas B. aus Berlin (27. November 2024 um 09:52 Uhr)Liebe jw-Redaktion, immer wieder – und auch hier im Artikel – verwendet Ihr mindestens »unbedarft« den Begriff »postfaschistisch« zur Charakterisierung der eindeutig neofaschistischen italienischen Regierung und ihrer Ministerpräsidentin Meloni; so, wie das auch der absolut überwiegende Teil der Mainstreammedien tut. Dabei übernehmt Ihr – ich hoffe unwissentlich! – die SELBST-Bezeichnung der Fratelli d´Italia, der nach mehreren »Häutungen« direkten Nachfolgepartei der Mussolini-Partei »Movimento Sociale Italiano«, die diese gezielt und sehr bewusst zur Verschleierung ihres tatsächlichen Charakters gewählt haben. Warum das nicht belanglos und im Sinne der von Euch so heroisch und aufrecht vertretenen (journalistischen) Aufklärung und Emanzipation sogar kontraproduktiv ist, hat der Schweizer Soziologe Josef Estermann schon vor zwei Jahren in seinem sehr lesens- und bedenkenswerten Artikel Statt irreführend »postfaschistisch« klar »neofaschistisch« herausgearbeitet: »Die Vorsilbe post- zeigt aufgrund seiner etymologischen Bedeutung eine klare Zäsur zwischen einem Vorher und einem Nachher an. Nach Wikipedia ist «posttraumatisch» der Zustand nach einem Trauma, «postkapitalistisch» die Zeit nach dem Kapitalismus, «postkolonial» die Zeit nach dem Kolonialismus, «postmortal» der Zustand nach dem Tod, usw. (…) Wenn es darum geht, die Fratelli d’Italia selber zu qualifizieren, wäre Klartext mit den Begriffen «neofaschistisch» oder «refaschistisch» angesagt, auch wenn die Partei selber am Label «postfaschistisch» festhält.« Quelle: https://www.infosperber.ch/politik/welt/statt-irrefuehrend-postfaschistisch-klar-neofaschistisch/ Gerade Eurem Projekt mit dem richtigen und wichtigen und von mir sehr wertgeschätzten Anspruch ´ »Sie lügen wie gedruckt … Wir drucken, wie sie lügen!« stünde es maximal gut an, diese analytische und sprachliche Präzision zukünftig zu beherzigen. Ich denke, das seht Ihr bei kurzem drüber Nachdenken genauso …
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