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Aus: Ausgabe vom 27.11.2024, Seite 16 / Sport
Sportjournalismus

Ethik im Beruf

Hans-Joachim Seppelt und die Scheinheiligkeit der ARD-Dopingredaktion. Ein Kommentar
Von Andreas Müller
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Mobiles Dopingkontrolleneinsatzset mit Gebrauchsanweisung (Lausanne, 11.6.2022)

Mit sehr viel Chuzpe lieferte die ARD am 24. November auf ihrer Website Sportschau.de einen Artikel mit der Überschrift »Führungskrise der WADA verschärft sich – Klage gegen USADA«. Die Unterzeile lautet: »Nationale Antidopingagenturen organisieren derzeit Widerstand gegen die WADA-Führung wegen des von der ARD-Dopingredaktion enthüllten China-Skandals. Weltweit formiert sich offen eine Opposition von nie dagewesenem Ausmaß.«

Geschildert werden die mutmaßlichen aktuellen sportpolitischen Folgen all dessen, was die tollen Hechte von der ARD-Dopingredaktion investigativ zutage gefördert haben: nämlich dass 2021 vor den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2023 einige chinesische Topschwimmer positiv auf Dopingmittel getestet wurden, ohne dass sie dafür bisher von der Weltdopingagentur WADA zur Rechenschaft gezogen worden wären.

Daher fegt nun ein Sturm der Entrüstung 18 führender nationalen Antidopingagenturen über die WADA hinweg, darunter der aus Frankreich, Deutschland und Japan, jedoch zuföderst angefacht von der US-amerikanischen nationalen Antidopingbehörde USADA. In Folge der ARD-Recherche bekämpft sich die internationale Antidopingbewegung inzwischen juristisch bis aufs Blut. Die US-Amerikaner drohen, die Zahlungen an die WADA auf Dauer komplett einzustellen usw. usf.

Seltsam nur, dass mit keiner Silbe erwähnt wird, welche Ungeheuerlichkeit im Antidopingkampf sich in diesem Jahr just auf USADA-Terrain abspielte, und zwar rund um den in den USA zweimal positiv getesteten italienischen Tennisprofi Jannik Sinner. Die USADA reagierte nicht, als sie bei Auswertung und Nichtsanktionierung dieser beiden Positivtests komplett ignoriert und de facto ausgebootet wurde. Die USADA-Verantwortlichen haben sich bis heute nicht über das »Ergebnismanagement« jenseits der offiziellen Instanzen beschwert.

Noch mehr Chuzpe beweist die ARD damit, dass der erwähnte Text von gleich mehreren Mitarbeitern der Firma Eyeopening Media GmbH verfasst wurde. Ein Unternehmen, das den Zuschauern seit Jahren als »Dopingredaktion« des öffentlich-rechtlichen Senders verkauft wird. »Eyeopening.Media ist eine der weltweit führenden investigativ arbeitenden Multimedia-Produktionsgesellschaften«, heißt es offiziell.

Hans-Joachim »Hajo« Seppelt, seit mehr als fünf Jahren Geschäftsführer der am 31. Dezember 2016 gegründeten Firma, wird bei Interviews, Schalten und anderen Auftritten im Programm, dem Zuschauer weiterhin vorgestellt, als sei er ein festangestellter Redakteur des Senders. Genau dort, wo es beim hochsensiblen Thema Doping ganz besonders um Glaubwürdigkeit geht, wird unter den Augen von ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky seit Jahren getrickst. Permanent wird verschleiert, wo Sportfreund Seppelt und die Mitarbeiter seiner GmbH arbeitsrechtlich und journalistisch zu verorten sind. Es ist ganz so, als würden Mitarbeiter einer privaten Unternehmungsberatung, die im staatlichen Auftrag Gesetze entwerfen und Vorlagen schreiben soll, als offizielle Mitarbeiter des betreffenden Ministeriums ausgegeben.

Chuzpe eben. An dieses schöne Wort sollte sich das geneigte TV-Publikum erinnern, wenn die ARD-Dopingredaktion mit ihrer nächsten Produktion auftreten darf, mit neuen Enthüllungen aufwartet und im Nachgang die weltweit aufrüttelnde Wirkung ihres Schaffens angeberisch auflistet. Alles im Namen des sauberen Sports und hehrer Berufsethik, versteht sich.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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