Gefahr im Boden
Von Mawuena MartensMehr als 80 Prozent der Opfer sind Zivilisten, ihren größten Schaden richten sie erst nach Kriegsende an: Die Rede ist von völkerrechtlich geächteten Antipersonenminen. Allein im Jahr 2023 sind weltweit circa 5.700 Menschen Opfer von Minen geworden, die Dunkelziffer dürfte noch weitaus größer sein. Nach der Einführung der sogenannten Ottawa-Konvention zur Ächtung der Waffe im Jahr 1999 waren die Opferzahlen lange rückläufig, doch ihr Einsatz nimmt in den vergangenen Jahren wieder zu – die Ankündigung der USA in der vergangenen Woche, der Ukraine nun auch Antipersonenminen zu liefern, dürfte die Opferzahlen in den kommenden Jahren weiter in die Höhe treiben.
Am Montag kritisierte Handicap International die geplante Lieferung daher scharf: Dies markiere »einen dramatischen Bruch mit der bisherigen US-Politik. Zwar sind die USA dem Vertrag nicht beigetreten, doch haben sie seit 1991 keine Antipersonenminen mehr eingesetzt, seit 1992 keine mehr exportiert, seit 1997 keine mehr produziert und in der Zwischenzeit Millionen von gelagerten Minen vernichtet.« Am Dienstag veröffentlichten auch die Teilnehmer der seit Anfang der Woche in Kambodscha stattfindenden Konferenz der Unterzeichnerstaaten eine gemeinsame Erklärung. Darin machen die Vertreter von rund 170 Staaten deutlich, dass die Ankündigung der bevorstehenden Weitergabe an einen Vertragsstaat – anders als die USA oder Russland hat die Ukraine das internationale Abkommen 2005 ratifiziert – eine »besorgniserregende Entwicklung im Bestehen und in der Anwendung« des Minenverbotsvertrags sei. Und weiter: »In den 25 Jahren, die seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens vergangen sind, ist dieser wegweisende humanitäre Abrüstungsvertrag noch nie so sehr in Frage gestellt worden.« Die Ankündigung stelle zudem eine radikale Abkehr von der 30jährigen De-facto-Antipersonenminenpolitik der Vereinigten Staaten dar.
Schon jetzt liegt die Ukraine in der Statistik der Opferzahlen nach Myanmar, Syrien und Afghanistan an vierter Stelle. Überlebende von Minenexplosionen benötigen meist lebenslange Unterstützung. Kinder, die auf eine Prothese angewiesen sind, brauchen etwa alle sechs Monate eine neue. Sie sind besonders von der im Boden schlummernden Gefahr bedroht, da sie häufig beim Spielen auf die über Jahrzehnte scharf bleibenden Waffen treten oder aber diese finden, und sie in Unwissenheit der Gefahren in die Hand nehmen.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte den Schritt zur Lieferung der Antipersonenminen am vergangenen Dienstag mit einer Änderung der russischen Kampftaktik erklärt. Die russischen Soldaten rückten nicht mehr mit gepanzerten Fahrzeugen oder Schützenpanzern an der Spitze vor, sondern gingen »zu Fuß, um sich zu nähern und den Weg für die mechanisierten Kräfte zu ebnen«. Neben dem Erfolg der russischen Truppen im Osten der Ukraine dürfte auch der bevorstehende Amtsantritt des republikanischen Wahlsiegers Donald Trump die Entscheidung begünstigt haben. Und: Minen sind sehr kostengünstig. In seiner Ankündigung sagte Austin außerdem, die ukrainischen Truppen sollten die Waffe nur auf dem eigenen Staatsgebiet mit dem Schwerpunkt Osten einsetzen. Es handle sich zudem um »spezielle« Minen, die sich nach einer bestimmten Zeit selbst zerstörten oder nur mit einer begrenzten Batterieladung versehen seien.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij begrüßte die Ankündigung der USA am Donnerstag. Die Minen seien »sehr wichtig«, um den Vormarsch der russischen Armee in der Ostukraine zu stoppen. Auf der Konferenz in Kambodscha hingegen erwähnte die ukrainische Delegation das Angebot der USA nicht. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Kiew warf Moskau jedoch das Verlegen von Landminen in von Ukrainern bewohnten Gebieten als völkermörderische Aktivität vor.
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