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Aus: Ausgabe vom 29.11.2024, Seite 4 / Inland
Coronapolitik

Die Vorschläge des Ministers

Coronapolitik: Lauterbach verhinderte monatelang Herabstufung der Risikobewertung
Von Kristian Stemmler
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Karl Lauterbach während einer Sitzung des Bundesrates (Berlin, 22.11.2024)

Die inzwischen zerbrochene Ampelkoalition hat sich gegen eine parlamentarische »Aufarbeitung« der Coronapolitik zwischen 2020 und 2022 entschieden. Dennoch kommt nun nach und nach das eine oder andere Detail zur damaligen Kommunikation hinter den Kulissen ans Licht. Dem Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung sind Mails zugespielt worden, die nahelegen, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Frühjahr 2022 – also im Umfeld der Bundestagsentscheidung über die Einführung einer allgemeinen Coronaimpfpflicht – monatelang politisch verhindert hat, dass eine vom Robert-Koch-Institut vorgeschlagene Herabstufung der Risikobewertung (von »sehr hoch« auf »hoch«) vorgenommen wurde.

Lauterbachs bis heute bekräftigte Behauptung, er habe die »wissenschaftlichen Bewertungen« des RKI nie beeinflusst, ist damit kaum noch haltbar. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, erklärte am Donnerstag, Lauterbach solle sich »jetzt ehrlich machen«. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) nannte einen Rücktritt des Ministers »unvermeidlich, wenn es bei Karl Lauterbach noch irgend etwas wie politischen Restanstand geben sollte«. Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann sagte, an der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Coronapandemie führe »kein Weg mehr vorbei«. Einen solchen Ausschuss hatte die FDP allerdings abgelehnt, als sie noch Teil der Regierungskoalition war.

Laut den Recherchen hatte RKI-Präsident Lothar Wieler Lauterbach am 3. Februar 2022 mitgeteilt, dass am Vortag die Risikobewertung im Krisenstab besprochen worden sei. Sein Institut wolle die Coronagefahrenstufe von »sehr hoch« auf »hoch« herabstufen, »da die Krankheitsschwere von Omikron geringer ausfällt als die von Delta«. In der Antwort an Wieler schrieb Lauterbach am selben Tag, er halte eine Herabstufung für »problematisch«. Weitere Anläufe in den Tagen danach blieben ebenfalls erfolglos. In den vor einigen Monaten durchgestochenen RKI-Protokollen findet sich unter dem 25. Februar 2022 der Hinweis, die Herabstufung sei vom Gesundheitsministerium abgelehnt worden. Anschließend scheint im Krisenstab zunächst nicht mehr über das Thema gesprochen worden zu sein. Am 20. April versuchte der RKI-Präsident es noch einmal. Doch erst am 5. Mai 2022 – Monate, nachdem in Nachbarländern der Bundesrepublik bereits alle Maßnahmen aufgehoben worden waren –, war das Ministerium mit der Herabstufung einverstanden, allerdings nicht ohne Ermahnung durch einen Mitarbeiter von Lauterbach, dass die Herabstufung »ohne mediale Ankündigung/Begleitung« erfolgen solle.

Lauterbach rechtfertigte sein damaliges Verhalten unmittelbar nach der Veröffentlichung der Recherche am Mittwoch abend beim Kurznachrichtendienst X mit der Behauptung, dass es ein Fehler gewesen wäre, die Risikobewertung zu senken, »als zum Teil noch Hunderte Menschen am Tag an Covid gestorben sind«.

Noch eine andere Recherche wirft aktuell die Frage einer politischen Einflussnahme auf »unabhängige« Institutionen im Zusammenhang mit der Pandemie auf. Am Mittwoch berichtete die Welt, dass die damalige Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, am 12. Juni 2020 an Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) eine Mail geschrieben hat, in der sie Unterstützung für die Coronapolitik der Regierung signalisiert. Besonders freue sie sich darauf, so Buyx an Spahn, »Vorschläge« des Ministers »und alle weiteren Fragen« im Gespräch zu erörtern und »noch genauer zu erfahren, welche Wünsche und Ideen Sie für unsere Arbeit haben«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (2. Dezember 2024 um 15:07 Uhr)
    Man kann von Karl Lauterbach halten, was man will. Aber seine Einschätzung »dass es ein Fehler gewesen wäre, die Risikobewertung zu senken, als zum Teil noch Hunderte Menschen am Tag an Covid gestorben sind«, ist absolut nachvollziehbar und vernünftig. Seltsam, der letzte Abschnitt des Artikels. Hier wird das Angebot der damaligen Vorsitzenden des Ethikrates, die Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen, problematisiert. Damit wird suggeriert, dass die Regierung etwas ganz Schlimmes mit der Bevölkerung im Schilde führte und eine Unterstützung der Coronapolitik ein Verbrechen darstellt. Haben Schwurbler und Querdenker etwa doch recht, die von Coronadiktatur schwafeln? »Tatsächlich gilt bei der Ausbreitung eines neuen Virus lieber mehr Vorsicht und mehr Maßnahmen walten zu lassen, als zu wenige (…) Die Ideologie der Querdenken-Bewegung sagt: Jedem das Seine und wer es nicht schafft, hat Pech gehabt. Die Ideologie der Arbeiterklasse sagt: Jedes Leben zählt, es ist nicht egal, ob und wieviele sterben.« (»Pandemie, bürgerlicher Staat und Querdenker« von Philipp Kissel, 24. Dezember 2020)
    • Leserbrief von Heinz-Joachim Reiß (3. Dezember 2024 um 09:54 Uhr)
      Pardon, aber Sie, Franz S., bringen in Ihrem Leserbrief nur zum Ausdruck, dass Sie der Regierung des Monopolkapitals naiv vertrauen. Mir selbst sagte man im vorigen Jahr: »Wir sind ein WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN«, als ich am 5. Tag nach einer Gelenk-OP überrascht und empört erfuhr, schon den nächsten Tag entlassen zu werden – im Gegensatz zum Jahr 2013, wo die Entlassung am 9. Tag mit sofort sich anschließender Reha war. Im Ergebnis dieses »Rausschmisses« folgten Komplikationen. Die gesamte Privatisierung mit dem unerhörten Abbau von Kliniken ist inhuman und hat nichts mit einem Gesundheitswesen zu tun. Apropos Coronaimpfung: Allein Biontech verbuchte für die Jahre 21 bis 23 einen Netto-Gewinn von etwa 24 Mrd. Euro, nicht gerechnet das Geschäft mit allem, was dran hängt. Bis auf Lauerbach und Dr. Rößler – was angesichts deren beider Handlungen als Mediziner um so schlimmer das ärztliche Ethos beschädigt – hatten die Vorgänger nicht einmal je zuvor beruflich etwas mit Medizin zu tun, aber alle sind sie in erster Linie Profitbeschaffer für die Medizinbranche bis hin zur Pathologie. Ein Herr Spahn hat sich auch als Immobilienmakler gewinnträchtig profiliert. Außerdem, wie sich zeigt, war Corona ein Test zur Manipulation und Züchtigung der Bevölkerung in bezug auf psychischen Missbrauch.
      Jede Krankheit ist im Grunde für Extraprofite willkommen in diesem von Fäulnis zerfressenen, zutiefst lebensfeindlichen System. Es geht, lieber Franz, nimmer um das Wohl der Arbeiterklasse wie überhaupt des Volkes, sondern um das Gefügigmachen zur erhöhten Ausbeutung mit allen Mitteln – aktuell nicht zuletzt bis zum Kriegsgewinn – insbesondere auch der Medien, durch die Regierung als Auftragnehmer des Finanzmonopol- und Rüstungskapitals. Marx weist das nach im »Vorwort zur Kritik der Politischen Ökonomie« 1859 und schreibt: »Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus ich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen ›bürgerliche Gesellschaft‹ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei.«

      War Marx auch ein »Verschwörungstheoretiker«? In diesem Sinne bin ich es gerne.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (3. Dezember 2024 um 13:47 Uhr)
        Darauf hätte ich wetten können, dass mir jemand Vertrauen in die Regierung unterstellt. In Sachen Pandemie gab es zeitweilig eine Überschneidung der Interessen der Arbeiterklasse mit den Interessen der Ausbeuter: »Die Motive der Entscheidungsträger in einem kapitalistischen Staat sind nicht unsere. Aber bei Problemen, welche Arbeiter, die gesund und am Leben bleiben wollen, und ihre Ausbeuter, die gesund bleiben wollen und gesunde Arbeiter brauchen, gemeinsam haben, überschneidet sich unser Interesse mit dem unserer Feinde und unterscheidet uns gemeinsam von den irrationalen Impffeinden« (Standpunkt der KPD zur Impfpflicht 28.09.2021). Sie beklagen die Gewinne von Biontech. Die Hersteller von künstlichen Gelenken verdienen sich auch eine goldene Nase. Soll ich deshalb auf die notwendige OP verzichten? Zu der in Querdenkerkreisen beliebten These, dass die Pharmaindustrie die anderen Kapitalisten quasi mit dem Nasenring durch die Manege zieht, schreibt Philipp Kissel: »Im Folgenden listen die Autoren Branchen auf, die Krisengewinnler sind (Pharma, Elektronik, digitale Dienstleistungen). Sie nehmen aber keine Einordnung dieser Branchen in das Gesamtkapital vor. Wenn es staatliche absichtlich eingeführte Maßnahmen sind, würde der ideelle Gesamtkapitalist schlecht handeln, wenn er für eher randständige Branchen das Herzstück der Industrie gefährdet. Aus Sicht der Reproduktion des Gesamtkapitals macht es jedenfalls keinen Sinn, für den Vorteil dieser Branchen relativ großen volkswirtschaftlichen Schaden anzurichten« Dann schreiben Sie: »Außerdem, wie sich zeigt, war Corona ein Test zur Manipulation und Züchtigung der Bevölkerung in bezug auf psychischen Missbrauch. Jede Krankheit ist im Grunde für Extraprofite willkommen«. Die Pandemie nur inszeniert? Hätte nur noch der Hinweis auf Bill Gates gefehlt. Im übrigen wäre es nicht notwendig gewesen, mir die Klassenverhältnisse im Kapitalismus, dass im Kapitalismus Profite gemacht werden und andere Binsenweisheiten zu erklären.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (3. Dezember 2024 um 19:25 Uhr)
          Es tut mir leid, dass Sie sich m. E. in Details verlieren. Was verstehen Sie unter dem Gesamtkapitalisten? Die von Marx berühmte Fußnote im »Kapital«, wo er Dunning zitiert, lautet am Schluss: »300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.« Verkündet nicht die Gegenwart in der Machtgier um Neuaufteilung der Welt, sei’s in Nahost wie aber noch mehr bei der Haltung des vom Größenwahn vor seinem Abgang befallenen Biden, im Kontext mit Brüssel, Paris, London und Berlin zur Ukraine, was der Gesamtkapitalist riskiert? Der Sicherheitsberater von Biden, Sullivan, wies laut Meldung darauf hin, dass Biden angeordnet habe, die Ukraine durch »eine Reihe zusätzlicher Schritte« zu stärken, darunter die bevorstehenden antirussischen Sanktionen und die bereits erteilte Genehmigung für Angriffe mit US-Langstreckenraketen tief in Russlands Territorium … bis Mitte Januar Hunderttausende Artilleriegranaten, Tausende Raketen und andere wichtige Waffen an die Ukraine zu liefern. Dies zur Außenpolitik des Gesamtkapitalisten, wo es »nur« um Russlands Bodenschätze geht, einschließlich derer im Donbass.
          Bei der Gesundheit vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Hüftgelenkprothesen gibt es schon Jahrzehnte und ich habe selbst zwei. Mein Chirurg hat sicher gut gearbeitet, wie bereits an der anderen Hüfte vor 11 Jahren, aber die einzeln erzeugte Qualität befindet sich in einem Antagonismus zum Umfeld, denn »jeder ist sich selbst der Nächste«. Und die Grünen haben es mit Energiepolitik etc. disproportional verschlimmernd vorgemacht. Konkurrenz mit dem Tunnelblick untereinander interessiert nicht, was drumherum passiert. Nicht der Gebrauchswert, sondern der Tauschwert dominiert. Bei den Coronaimpfstoffen waren und sind gar nicht genügend Neben- wie Spätwirkungen bekannt. Seitdem erkranken Freunde, Verwandte schwerer – bei an sich harmlosen Erkältungen? Man hat auch kein Interesse, sich zu demaskieren, d. h. eine ehrliche Aufarbeitung zu ermöglichen, weil man ja nicht den Ast absägt, auf dem man selbst sitzt. Ich denke da bloß an den einstigen, aber nicht einzigen Skandal mit Contergan. Den Gesamtkapitalisten interessiert als unheilbar Süchtigen nur die Scheinwahrung beim Missbrauch von all dem, was um ihn herum der Profiterheischung dient. Diesem Zweck folgt gleichfalls die »Gebührenordnung für Ärzte« vom Beck-Verlag München und zwingt jeden einzelnen Arzt den Rahmen der Humanität, entgegen dem Eid des Hippokrates, mit Sparsamkeit, koste es, was es wolle, zu verlassen, um andererseits sich auf gewinnträchtige OP und Behandlungen zu stürzen. Lauterbach hat selbst bekannt, an der Einführung beispielsweise der Patientenpauschale aktiv gewesen zu sein. Und für die Gates-Stiftung hatte ich keinen Platz mehr; da haben Sie recht. »Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade«, sagt uns Johann Pestalozzi (1746 – 1827). Nun, mein Anliegen war, davor zu warnen, dass ja nicht alles schlecht sei, denn wo das noch so erscheint, ist es dem Umstand geschuldet, die Maskierung um des Augenblicks willen nicht vollends aufzuheben, was seit Bismarck sozial erkämpft wurde.

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