Ökostrom ohne Bonus
Von Gudrun GieseEs kann verfassungsgemäß sein: Gewinnabschöpfung. Zumindest im Fall von 22 klagenden Ökostromproduzenten hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am Donnerstag entsprechend entschieden.
In der Zeit stark gestiegener Energiekosten infolge des Ukraine-Krieges und Stopps russischer Gas- und Ölimporte hatte die Bundesregierung Ende 2022 die sogenannte Strompreisbremse eingeführt, bei der die Verbrauchskosten für Privathaushalte und Unternehmen gedeckelt wurden: Für die ersteren auf 40 Cent pro Kilowattstunde für achtzig Prozent des vorherigen Stromverbrauchs, für letztere auf 13 Cent je Kilowattstunde für siebzig Prozent des Vorjahresverbrauchs. Zur Mitfinanzierung dieser Zahlung zog die Ampelregierung auch die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen heran. Das von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geleitete Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nannte als Grund dafür, dass die Betreiber von Ökostromanlagen, die Energie aus Wind, Sonne und Biomasse gewinnen, in der damaligen Situation kaum höhere Produktionskosten gehabt hätten. Hingegen mussten etwa Stromerzeuger, die Gaskraftwerke zur Energiegewinnung einsetzten, wegen des drastisch gestiegenen Gaspreises erheblich mehr für die Stromherstellung ausgeben. Die Strompreise orientieren sich nach dem »Merit-Order-Mechanismus« an den Kraftwerken mit den höchsten Kosten.
Die Strompreise wurden 2022 wegen dieses Mechanismus so stark angehoben, dass vor allem die Ökostromerzeuger bedeutende Extraprofite einstreichen konnten. Die Bundesregierung schöpfte allerdings einen Teil davon ab, wodurch zwischen dem 1. Dezember 2022 und dem 30. Juni 2023 insgesamt an die 850 Millionen Euro zusammenkamen. Diese Art der Mitfinanzierung der Strompreisbremse ist mit dem Grundgesetz vereinbar, urteilten nun die Verfassungsrichter (Az. 1 BvR 460/23; 1 BvR 611/23). Die 22 klageführenden Ökostromerzeuger hatten demgegenüber argumentiert, dass die Strompreisbremse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe allein aus Steuermitteln zu finanzieren sei. Die Überschussabschöpfung habe die Garantie auf ihr Eigentum verletzt, hatte etwa Rechtsanwalt Christian von Hammerstein in der mündlichen Verhandlung betont. Außerdem führten die Kläger aus, dass die Strompreise ja nicht wegen der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen so stark gestiegen wären, sondern primär durch die Betreiber der Gaskraftwerke verursacht worden seien. Ausgerechnet diesen Produzenten sei die Gewinnabschöpfung erspart geblieben. Dagegen hatte der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, Philipp Steinberg, bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgericht auf die besondere Situation 2022 verwiesen. Man hätte damals mit der Strompreisbremse auf eine Ausnahmesituation reagiert. Durch die Abschöpfung sollten die Betreiber ihren Beitrag zur Beruhigung am Strommarkt leisten, sagte Steinberg am Donnerstag laut dpa. Durch die zeitliche Begrenzung der Strompreisbremse habe die Bundesregierung den Eingriff so gering wie möglich halten wollen.
Der Erste Senat des Verfassungsgerichts nannte in seinem Urteil die ohnehin nur teilweise zulässigen Verfassungsbeschwerden der 22 Ökostromerzeuger »komplett unbegründet«. Die Teilabschöpfung der Gewinne sei durch die Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes für das Energiewirtschaftsrecht gedeckt. Es bedürfe dafür nicht einer Steuergesetzgebungskompetenz. Da der Bund mit der Abschöpfung keine Einnahme für die Staatskasse bezweckt und auch nicht erzielt hätte, handele es sich bei der Maßnahme »weder um eine Steuer noch um eine nichtsteuerliche Abgabe«. Auch materiell sei die Abschöpfung verfassungsgemäß, da sie ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel verfolge, nämlich die über festgelegte »Obergrenzen hinausgehenden Erlöse« als »Ausgleich zwischen den durch die kriegsbedingten Verwerfungen auf dem Energiemarkt außerordentlich begünstigten Betreibern von Stromerzeugungsanlagen und den wegen desselben Ereignisses außerordentlich belasteten Stromverbrauchern« zu verwenden.
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