Krieg an sieben Fronten
Von Karin Leukefeld, BeirutNicht einmal einen Tag hat die Waffenruhe zwischen Israel und Libanon gehalten: Nachdem die israelische Armee schon am Mittwoch mehrere »Zwischenfälle« im Südlibanon gemeldet hatte, bei denen die Armee Schüsse auf »verdächtige« Personen abgegeben hätten, ging es am Donnerstag auf gleiche Weise weiter. Verschiedene Medien berichteten übereinstimmend über zwei Verletzte durch israelischen Beschuss in der Ortschaft Markaba. Panzer hätten zudem die Dörfer Wasani, Kfar Schuba, Khijam, Taibe und die Gegend um Marjajoun beschossen. Die Ortschaften befinden sich im Südlibanon. Israel begründete sein Vorgehen damit, dass »Verdächtige« teils mit Fahrzeugen im Südlibanon angekommen seien und dies das Waffenstillstandsabkommen verletzt habe.
Hassan Fadlallah, ein Vertreter der Hisbollah, sagte gegenüber Journalisten nach einer Parlamentssitzung am Donnerstag, »der israelische Feind attackiert diejenigen, die in die Dörfer in der Grenzregion zurückkehren«. Dies deckt sich mit Berichten von Reuters vom selben Tag, denen zufolge der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Militär angewiesen haben soll, Libanesen an der Rückkehr in die Grenzregion zu hindern. Während Nabih Berri, Sprecher des libanesischen Parlaments, die Bewohner der südlichen Regionen des Libanons am Mittwoch aufgefordert hatte, wieder in ihre Häuser zurückzukehren, hat Israel bisher noch keine solche Aufforderung an die Bewohner von Siedlungen im Norden Israels gerichtet.
In einer Rede an die Bürger Israels am Dienstag abend vor Inkrafttreten des Abkommens hatte Netanjahu hingegen bekräftigt, man werde »die Hisbollah auslöschen« und dafür sorgen, dass alle Bewohner des Nordens zurückkehren könnten. An sieben Fronten sei Israel erfolgreich (auf gegnerischen Boden) vorgedrungen. Dabei nannte er den Krieg in Gaza, im Westjordanland, Jemen, Irak, Syrien, Libanon und Iran. Diese militärischen »Errungenschaften« lösten »weltweit Ehrfurcht und Bewunderung aus und verleihen Israel im gesamten Nahen Osten eine starke Ausstrahlung«, so Netanjahu weiter.
Wichtig sei, dass Israel sich mit der Zustimmung der USA »die vollständige Freiheit für militärische Operationen gegen die Hisbollah« gesichert habe. Der Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt habe drei Gründe. Israel werde sich auf den Iran konzentrieren und verhindern, dass er Atomwaffen erhalte. Das sei für ihn »die wichtigste Aufgabe, um die Existenz und die Zukunft des Staates Israel zu sichern«. Der Waffenstillstand ermögliche der Armee zudem eine Erholungsphase und die Aufstockung der Waffen- und Munitionslager. Außerdem werde man dadurch die Hamas isolieren.
Was der Premier in seiner Kriegsrede nicht erwähnte, war, dass die USA auf ihn offenbar erheblichen Druck ausgeübt hatten. Unbestätigten Berichten zufolge habe Washington gegenüber Tel Aviv angedeutet, Israel wegen der offensichtlichen Massaker, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur und nicht zuletzt wegen der internationalen Haftbefehle nicht weiter zu unterstützen.
Allerdings haben die israelischen Streitkräfte in den zwei Monaten heftiger Angriffe im Libanon ihr Ziel – die Vernichtung der Hisbollah – nicht erreicht. Zwar hat die Organisation – und mit ihr die Zivilbevölkerung – schwere Schläge einstecken müssen, aber die Hisbollah ist nicht vernichtet und sie hat einen weiteren Einmarsch der israelischen Truppen und die Besetzung von libanesischem Territorium verhindert. Israel konnte zerstören, aber keinen Ort militärisch halten. So ist auch keine der großen Städte Khiam, Bint Jbeil oder Naqura im Süden des Landes von israelischen Truppen eingenommen worden.
Frieden ist dennoch nicht in Sicht, weil nicht nur die USA, NATO und westliche Staaten Israel bei ihrem kriegerischen Vorgehen unterstützen, sondern auch die israelische Bevölkerung mehrheitlich die Kriege begrüßt. Siedlerverbände aus dem Norden Israels lehnen die Waffenruhe ab und sprechen von einer falschen Entscheidung. Sie sagen, nur die Vernichtung der Hisbollah werde ihnen Sicherheit bringen. Im Kabinett werden die Siedler von Itamar Ben-Gvir vertreten, dem Minister für Nationale Sicherheit. Als einziger im Kriegskabinett stimmte der Rechtsaußenpolitiker gegen die Waffenruhe.
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