Ein Kirschbaum von Amazon
Von Sebastian EdingerUm sein Image aufzupolieren, ohne an der aggressiven Profitmaximierungsstrategie etwas zu ändern, verteilt der US-Konzern Amazon vor allem im Umfeld seiner Logistikzentren großzügige Geschenke. Das geht aus einer Recherche hervor, die die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol anlässlich des diesjährigen Black-Friday-Konsumwahns veröffentlicht hat. Die Politik dürfe »sich von der Charmeoffensive Amazons nicht blenden lassen und muss endlich die tatsächlichen Missstände angehen«, sagte Felix Duffy, Campaigner bei Lobbycontrol.
Gemeint sind insbesondere die miserablen Arbeitsbedingungen, die aggressive Steuervermeidung und die Ausnutzung der Monopolmacht im Onlinehandel. Doch die Konzernführung betreibt großen Aufwand, um Stimmung und Berichterstattung positiv zu beeinflussen, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und sich vor Ort punktuell unentbehrlich zu machen. Schließlich sind Lohn- und Steuerdumping wichtige Säulen des Geschäftsmodells, mit dem der Konzern im vergangenen Jahr einen satten Gewinn von 30,4 Milliarden gemacht hat. Ein paar Tausender für gute Zwecke scheinen da gut investiertes Geld zu sein.
Als Beispiel für das sogenannte Deep Lobbying Amazons, also einer Lobby‑strategie, die sich nicht direkt an politische Entscheidungsträger richtet, sondern langfristig Stimmung und Diskurse beeinflussen soll, zeichnet Lobbycontrol die Schenkungs- und Sponsoringaktivitäten in Rheinberg am Niederrhein nach. Dort betreibt der Konzern seit 2011 ein Logistikzentrum – und stößt immer wieder auf heftige Kritik. Die Gewerkschaft Verdi ruft regelmäßig zu Streiks auf, um einen einheitlichen Tarifvertrag durchzusetzen. Doch die Stimmung hat sich zuletzt zugunsten Amazons gewandelt, die lokale Berichterstattung ist positiv. Schließlich unterstützt das Unternehmen vor Ort Schulen mit Materialspenden, fördert »Tafel«-Einrichtungen, finanziert Freizeitaktivitäten und hat sogar einen Kirschbaum gepflanzt.
Wie die Lobbycontrol-Recherchen zeigen, werden derartige PR-Maßnahmen strategisch geplant. Allein im laufenden Jahr resultierten daraus schon vier positive Berichte in der Rheinischen Post. Auch in den Vorjahren gab es immer wieder Artikel, die Amazon in einem positiven Licht erscheinen ließen: Eine Mitarbeiterin aus Rheinberg wurde als »Amazon-Star« ausgezeichnet, auch über das Sponsoring eines Leseklubs und eines Ferienzirkusses wurden lobend berichtet. Zudem, so Lobbycontrol, nutze der Konzern die Wahrnehmung seines »sozialen Engagements« für den Aufbau und die Pflege von Kontakten zu den Verantwortlichen der Logistikstandorte sowie für eine positive Selbstdarstellung auf der eigenen Website.
Besonders problematisch sind aus Sicht der Organisation die Amazon-Aktivitäten im Bereich Katastrophenschutz: Seit Anfang des Jahres betreibt das Unternehmen in Rheinberg den sogenannten »Disaster Relief Hub«, der nach eigenen Angaben europaweit in 72 Stunden Hilfsgüter bereitstellen kann. Durch den Einstieg von Amazon in die Katastrophenhilfe bestehe »die Gefahr, dass ein privater Konzern zumindest in Teilen die Kontrolle über staatliche Aufgaben übernimmt. So können problematische Abhängigkeiten entstehen, die wiederum Einfluss auf den Umgang der Politik mit den Missständen bei Amazon haben können.« Außerdem könne der Konzern entscheiden, wohin die Hilfe fließt – im Zweifelsfall dorthin, wo man sich den größten Imagegewinn verspricht.
Für Lobbycontrol ist es an der Zeit, Amazons Macht zu begrenzen. »Langfristig würden wir alle mehr davon profitieren, wenn Amazon faire Steuern zahlen würde, seine Monopolmacht begrenzt ist und es für die Arbeiter einen Tarifvertrag geben würde«, heißt es. Das sehen auch die Gewerkschaften so, die anlässlich des »Black Friday« zu internationalen Protesten gegen die beschäftigtenfeindlichen Machenschaften des Konzerns aufrufen. Laut Verdi sind 60 Aktionen in 30 Ländern geplant. In Deutschland ruft die Gewerkschaft zu einer Demonstration durch die Innenstadt am Standort Bad Hersfeld auf, »um gemeinsam auf die unfairen Arbeitsbedingungen und die Tariflosigkeit beim Amazon-Konzern aufmerksam zu machen«.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 25.07.2024
Betriebsfight bei Onlineriesen
- 13.07.2024
Historischer Wahlgang in Coventry
- 28.06.2024
»Der Kampf gegen Amazon ist international«