»Schülern wird Nähe zum Militär aufgedrängt«
Interview: Fabian LinderSie vertreten die von der GEW Bayern und der DFG-VK angestoßene Popularklage gegen das Bundeswehrfördergesetz in Bayern. Wie ist der gegenwärtige Stand?
Es sind inzwischen über 200 Klägerinnen und Kläger aus den Bereichen Wissenschaft, also Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter, aus Kunst und Kultur, Gewerkschaften und Friedensbewegung. Eine breite Unterstützung, und es kommen täglich neue Unterstützungsanfragen.
Welche Besonderheiten hat die Popularklage?
Der bayerische Landtag ist als Gesetzgeber unser Antragsgegner. Es handelt sich um einen Antrag, der die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Förderung der Bundeswehr in Bayern zum Gegenstand hat. Dabei ist eine breite Beteiligung an der Klage möglich, da eine unmittelbare Betroffenheit nicht notwendig ist und es ein großes Interesse an der Thematik gibt. Wir haben daher gesagt, wir nehmen so viele Leute mit wie nur möglich.
Was sind Ihre Hauptanliegen mit dieser Klage?
Im Kern gibt es neben kleineren Argumenten zwei relevante Bereiche: Das sind zum einen die Hochschulen und zum anderen die Schulen. An den bayerischen Hochschulen wird in Zukunft keine Verpflichtung mehr möglich sein, sich auf Forschung zu beschränken, die nur zivile Nutzung zulässt. Die sogenannte Zivilklausel, die in anderen Bundesländern zum Teil eine Selbstverständlichkeit ist, soll damit pauschal verboten werden. Das greift völlig unzulässig in die Autonomie und Selbstverwaltungsstrukturen der bayerischen Hochschulen ein. Darüber hinaus geht es um die Sollenspflicht zur Zusammenarbeit der Hochschulen und der Bundeswehr sowie den Zwang hierfür, wenn Interessen der nationalen Sicherheit geltend gemacht werden.
Das Grundanliegen, weshalb GEW und DFG-VK sich mit einer Petition an den bayerischen Landtag gewandt haben, war, sich ganz entschieden gegen eine weitere Militarisierung der Gesellschaft zur Wehr zu setzen. Dies wird nun mit der Klage fortgesetzt.
Welche Probleme sehen Sie an den Schulen?
Die Schulen sollen verpflichtet werden, mit der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung zusammenzuarbeiten. Den Eltern und Schülern wird damit eine Nähe zur Bundeswehr aufgedrängt. Das gab es früher nicht mal für Wehrpflichtige. Zumindest gab es damals die Möglichkeit, Nein zu sagen. Es gibt hier also nicht mal ein Widerspruchsrecht für Eltern, Schüler sowie Lehrkräfte. Das greift auf dramatische Weise in die Gewissensfreiheit ein. Bei der Auslegung der bayerischen Verfassung muss auch die Präambel mit einbezogen werden. Der Maßstab dieser Auslegung muss immer sein, »künftig die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts dauerhaft zu sichern«. Das Grundgesetz spricht darüber hinaus vom Basiskonsens, »dem Frieden der Welt zu dienen«. Unter diesen Gesichtspunkten müssen die Fragen der Wissenschafts- und Gewissensfreiheit beurteilt werden.
Es ist also davon auszugehen, dass sich die Werbung der Bundeswehr an Schulen noch einmal intensivieren wird.
Dass an den Schulen für die Bundeswehr geworben wird, ist nicht nur abzulehnen, vielmehr muss auch gefragt werden, warum nicht etwa für den Pflegeberuf geworben wird. Wieso nicht für Berufe werben, die in unserer Gesellschaft dringend gebraucht werden und wo es zu wenig Beschäftigte gibt, statt dieser voranschreitenden Militarisierung der Schulen und damit auch der Gesellschaft.
Sind bereits jetzt konkrete Einschränkungen durch das Gesetz spürbar?
Es ist uns noch nichts bekannt, allerdings hat das neue Semester erst kürzlich begonnen, und es gab an den Schulen ebenfalls Ferien. Wir wissen bisher allerdings von einem Bundeswehrmanöver am Campus der Technischen Universität München in Garching.
Ist schon absehbar, wann ein Urteil zu erwarten ist und welche Chancen Ihre Klage hat?
Einreichen werden wir die Klage im Dezember. Es ist beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof aber regelmäßig nicht absehbar, wie lange es bis zu einer Entscheidung dauert. Wie die Klage ausgeht, bleibt abzuwarten. Sollten wir Recht bekommen, fällt das Gesetz ohne Neuregelung weg, da keine Regelungslücke entsteht. Es kann im Ergebnis aber auch eine Entscheidung sein, die wenigstens eine Widerspruchslösung fordert und damit eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber erforderlich macht.
Adelheid Rupp ist die betreuende Rechtsanwältin der Popularklage gegen das Bundeswehrfördergesetz in Bayern
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 18.07.2024
Bayern rüstet auf
- 18.04.2024
Militarisierung der Bildung
- 25.01.2024
Pflicht zur Kooperation
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Zwei Köpfe kürzer
vom 30.11.2024 -
Akademischer Appell für Gaza
vom 30.11.2024 -
Malocher mit Handicap
vom 30.11.2024 -
Problem Rudelbildung
vom 30.11.2024 -
»Die ›Zeitenwende‹ ist ein Angriff auf den Sozialstaat«
vom 30.11.2024