»Die ›Zeitenwende‹ ist ein Angriff auf den Sozialstaat«
Interview: Gitta DüperthalFür den 7. Dezember plant die Friedensbewegung einen Aktionstag in Berlin gegen Militarisierung und Kriegstüchtigkeit. Das Motto lautet »Wir sagen nein zur Aufstellung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland«. Was haben Sie vor?
In den Mittelpunkt wollen wir unseren »Berliner Appell« gegen neue Mittelstreckenwaffen und für eine friedliche Welt stellen. Wir bestehen darauf, Konflikte und Rivalitäten nicht militärisch zu lösen, sondern alles zu tun, Kriege zu vermeiden oder zu beenden. Dieser Aufgabe darf sich niemand entziehen. Bislang konnten wir dafür mehr als 13.000 Unterschriften sammeln. Wir brauchen noch mehr. Also werben wir dafür, dass uns Samstag kommender Woche viele Menschen dabei unterstützen: mit Infoständen, Straßenaktionen, Flashmobs oder online in den sozialen Medien.
Die Bewegung will in den beginnenden Bundestagswahlkampf eingreifen, heißt es in einer Mitteilung der Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder«. Wie denn?
Wir wollen die Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen und alle Parteien dazu zwingen, sich klar dagegen zu bekennen. Denn die Frage von Krieg und Frieden entscheidet sich daran, ob sie in Deutschland stationiert werden. Aus meiner Sicht als Gewerkschafterin ist die »Zeitenwende« ein Angriff auf den Sozialstaat, die Grundrechte, die Daseinsvorsorge. Mit dem Kriegskurs wird der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sein. Alle Versprechen werden nicht mehr umsetzbar sein. Der Klimakollaps wird so beschleunigt. Was die Bundesregierung und die meisten Parteien im Wahlkampf aufbieten, ist ein Angriff gegen die Zivilbevölkerung. Wir müssen dagegenhalten.
Jene Parteien behaupten, die Aufrüstung diene der Abschreckung Russlands.
Das Eskalationspotential für die Bevölkerung steigt mit dem Kurs, den die meisten Parteien jetzt im Wahlkampf ansteuern. Sie spielen mit der Sicherheit der Bevölkerung, streuen mit einem falschen Sicherheitsbegriff den Menschen Sand in die Augen. Den Frieden schützt man nicht, indem man US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert.
Ihre Initiative bezeichnet die Stationierung als »Magneten für einen Präventivangriff auf Deutschland«. Ist das Risiko nach Donald Trumps Wahlsieg in den USA größer?
Trump hatte einen faschistischen Sturm aufs Capitol angestachelt, seine damalige Wahlniederlage hat er heute noch nicht verkraftet. Er ist unberechenbar. Mit einem solchen Präsidenten sollte man keine bilateralen Abkommen abschließen. Die Bundesregierung muss das rückgängig machen. Alles andere wäre Wahnsinn.
Der Oberst a. D. und CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter beklagt: Umgerechnet zahle jeder Deutsche »allenfalls« 50 Euro für die militärische Unterstützung an die Ukraine. Wie kann sich die Friedensbewegung angesichts marktschreierischer Kriegspropaganda durchsetzen?
Angesichts des Kriegskurses der Bundesregierung gibt es eine große Verunsicherung und Kriegsangst. Wir wollen darauf hinwirken, dass wir das nicht widerstandslos hinnehmen müssen. Wir haben noch bis 2026 Zeit, die Stationierung zu stoppen. Daran arbeiten wir.
Wie verläuft die Debatte zu Krieg und Frieden in Gewerkschaften? Gerade Beschäftigte von Rüstungsbetrieben werden sich wohl kaum pazifistisch aufstellen, oder?
Die Auseinandersetzung in den Gewerkschaften ist widersprüchlich wie in der Gesellschaft. Wir Gewerkschaften müssen daran arbeiten, die Zukunft von Arbeitsplätzen der Stahlindustrie zu sichern, zugleich aber für Konversion sorgen, dass dort statt Rüstung andere Produkte hergestellt werden.
Ulrike Eifler ist aktiv in der Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder«, Bundessprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft in der Partei Die Linke und arbeitet als Gewerkschaftssekretärin in Würzburg
Ulrike Eifler ist Teilnehmerin der Podiumsdiskussion der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz unter dem Motto »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?«, Wilhelm-Studios, Berlin-Wilhelmsruh, 11. Januar 2025.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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