Machtzentrale Nationalbank
Von Dominic ItenDie Schlagzeile klingt etwas bemüht: »Schweizer Trump-Momente: Warum die Angriffe auf die Schweizerische Nationalbank gefährlich sind«. Unter diesem Titel präsentierte der liberale Wirtschaftsdachverband Economiesuisse letzte Woche die Ergebnisse einer eigens durchgeführten Analyse. Worum geht es dabei? Um parlamentarische Geschäfte im Zusammenhang mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) seit 2014. Das Fazit: Linke und Grüne gefährdeten die geldpolitische Unabhängigkeit der SNB.
Versuche à la Donald Trump, in die Angelegenheiten der Nationalbank einzugreifen, würden die Geldpolitik destabilisieren, warnt Economiesuisse. Tatsächlich? Angriffe auf die Währungshüter? In der Schweiz, der geldpolitischen Festung Europas? Ja, sagt Economiesuisse und zeigt mahnend auf den designierten US-Präsidenten, der während seiner ersten Amtszeit und des diesjährigen Wahlkampfs wiederholt deutlich gemacht hat, dass er als Regierungschef gerne über die Geldpolitik seines Landes bestimmen würde.
Von solchen Zuständen sei man in der Schweiz nicht mehr weit entfernt, meint Economiesuisse – nur dass hier die Gefahr von links komme. Die Untersuchung fokussiert auf Forderungen von politischen Akteuren, die die Nationalbank stärker in den Dienst tendenziell linker Ziele zu stellen versuchen. Dazu muss man wissen: Die SNB wacht nicht nur über den Schweizer Franken – über die Verwaltung ihrer umfangreichen Währungsreserven fährt sie auch Jahr für Jahr fette Gewinne ein. Mehr als 62 Milliarden Franken in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres. Daher die Forderung linker Kräfte, gewisse Anteile dieser Gewinne für Umweltschutzprojekte auszuschütten oder zur finanziellen Absicherung der Alters- und Hinterlassenenversicherung einzusetzen.
Über Sinn und Unsinn solcher Vorschläge lässt sich streiten. Unbestritten ist aber, dass das Bild einer ehemals unabhängigen SNB, die nun von linken Kräften gekapert wird, in die Irre führt. Auch wenn die Unabhängigkeit der Nationalbanken formal festgeschrieben wurde, betreiben diese grundsätzlich eine Geldpolitik im Interesse der herrschenden Kapitalfraktionen. Ihre »Unabhängigkeit« bedeutet nichts anderes, als dass den Staaten ihre souveräne Geldpolitik entglitten ist und währungspolitische Entscheide jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen werden.
Und: Neoliberale Verhältnisse stärken die Stellung von Nationalbanken im Staatsapparat. Gleichzeitig gehört zu ihren primär gewordenen Funktionen, Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und mächtige Wirtschaftssektoren zu vertreten. Nationalbanken sind nicht nur prinzipiell der Stärkung des nationalen Standorts und damit den Interessen herrschender Kapitalfraktionen verpflichtet – sie sind auch aufgrund mangelnder Regulation immer stärker in die Hände privater Banken und Finanzunternehmen geraten.
Für die Schweiz gilt außerdem, dass sich die SNB im wesentlichen an den Entscheidungen der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) orientieren muss. Deren Politik setzt der SNB enge Rahmenbedingungen, denen sie sich nicht entziehen kann, ohne die Stabilität des Schweizer Frankens, der Export- und Finanzwirtschaft zu gefährden. Die offene Schweizer Volkswirtschaft und die Globalisierung der Finanzmärkte verunmöglichen eine Abschottung von europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen – gerade im Zuge der Finanzmarktkrisen hat sich der zwischenstaatliche Kooperationsbedarf nochmals erhöht.
Die kleiner werdenden geldpolitischen Spielräume werden also gezielt genutzt, um Klassenkampf von oben zu betreiben. Jüngstes Beispiel ist die Ankündigung von SNB-Präsident Martin Schlegel vom 22. November, auch in Zukunft nicht vor einer Negativzinspolitik zurückzuschrecken – einer Politik, die der Exportwirtschaft zugute kommen und den Druck auf Sparer sowie soziale Sicherungssysteme erhöhen würde. Die SNB agiert längst politisch. Die Forderung nach einem »Raushalten der Politik« dient nicht der Herstellung geldpolitischer Unabhängigkeit, sondern nur der Sicherung der bestehenden Ausrichtung.
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