Jagd auf Haitianer
Von Volker HermsdorfAuf der Karibikinsel Hispaniola findet eine in westlichen Ländern nur wenig beachtete humanitäre Katastrophe statt. Während die Bevölkerung der Republik Haiti zunehmend unter den Kämpfen zwischen sogenannten Gangs, der Polizei und einer von kenianischen Truppen angeführten »multinationalen Sicherheitsunterstützungsmission« (MMS) leidet, schiebt die benachbarte Dominikanische Republik massenweise Menschen ab, die sich vor der Gewalt in Sicherheit bringen wollten. Örtlichen Medien zufolge sind allein im November innerhalb von elf Tagen mehr als 40.000 Personen geflohen. Das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit, Misereor, und seine haitianische Partnerorganisation GARR forderten die Regierung in Santo Domingo am Freitag zum »sofortigen Stopp der Menschenrechte verletzenden Repatriierungspraxis« auf.
»Die unfreiwillige Rückkehr der Haitianer ist unmenschlich und grausam«, hatte das Washington Office on Latin America (WOLA) bereits Mitte Oktober festgestellt, nachdem der US-freundliche Präsident Luis Abinader mit einer teils rassistischen Argumentation die Massendeportationen von Flüchtlingen angekündigt hatte. Haiti sei nicht in der Lage, die Abgeschobenen aufzunehmen, denn das Land befinde sich »in einer humanitären und sicherheitspolitischen Krise, die außer Kontrolle geraten ist«, so die den Kirchen nahestehende Organisation. Da es sich bei den MMS-Einsätzen nicht »um eine friedenserhaltende Maßnahme« handele, könne sie das »Ausmaß an Gewalt und Zerstörung nicht aufhalten«. In der Vergangenheit hätten ausländische Einsatzkräfte in Haiti zudem »immer wieder Probleme verursacht und Übergriffe begangen«, hieß es. Trotzdem waren im Oktober mehr als 27.000 Menschen zur Ausreise aus der Dominikanischen Republik gezwungen worden. Abinader hatte angekündigt, wöchentlich bis zu 10.000 Menschen abzuschieben. Agenten der Zentralen Polizeiermittlungsbehörde machen seitdem regelrecht Jagd auf Geflüchtete.
»Die Bedingungen, unter denen haitianische Migranten in der Dominikanischen Republik inhaftiert werden, sind unmenschlich«, kritisiert die GARR. »Die Betroffenen werden tagelang ohne Nahrung und Trinkwasser festgehalten und zusammengepfercht. Beim geringsten Anzeichen von Protest werden sie geschlagen, Sicherheitskräfte halten die Gefangenen mit Tränengas und Elektroschocks ruhig, es kommt zu körperlicher Gewalt und sexualisierten Übergriffen.« Unter den Deportierten befänden sich auch schwangere Frauen, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung, Kranke, Senioren und dominikanische Bürger, die fälschlicherweise für Staatsangehörige Haitis gehalten werden. »In Haiti angekommen, fehlt es ihnen an Trinkwasser, Nahrung, medizinischer Versorgung, Kleidung und psychosozialer Betreuung«, beklagt Misereor-Länderreferentin Anja Mertineit die unhaltbare Situation.
Neben dem Appell von Misereor und GARR, die Massenabschiebungen zu stoppen, fordert WOLA, die Achtung der Rechte von haitianischen Migranten und Dominikanern haitianischer Abstammung im Land. Viele von ihnen lebten in prekären Verhältnissen, weil ihnen ihre Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Vertreter der Haitianer würden angegriffen, »einschließlich Todesdrohungen und Belästigungen in sozialen Medien durch Nationalisten, die das Land von Haitianern befreien wollen. Migranten, die im Land arbeiten, werden oft misshandelt und missbraucht.« Ungeachtet derartiger Vorwürfe plant die Regierung in Santo Domingo ein Gesetz, durch das Rechte und Freiheiten von legal im Land lebenden Haitianern beschnitten werden sollen. Ein von dem für rassistische Äußerungen bekannten Exminister Pelegrín Castillo im Parlament vorgelegter Entwurf zielt auf Maßnahmen ab, um Haitianern die Anmietung von Wohnungen, den Erwerb von Immobilien und die Aufnahme von Arbeit zu erschweren.
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