Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 02.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Großbritannien

Investitionsanreiz Renten

Finanzministerium plant Megafonds. Frei werdende Milliarden sollen als Ansporn für Unternehmen dienen, in Infrastruktur zu investieren
Von Christian Bunke
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»Frauen gegen staatliche Rentenungleichheit« (WASPI) fordern Entschädigung (London, 30.10.2024)

Die neue britische Labour-Regierung ist mit dem Versprechen angetreten, für Wirtschaftswachstum im Land zu sorgen. Doch damit sieht es mau aus. Die Wirtschaft wächst nicht, sondern stagniert, wenn sie nicht sogar schrumpft. Wirtschaftsbosse sind immer noch wegen der von Finanzministerin Rachel Reeves im Oktober verkündeten Erhöhungen der Unternehmeranteile bei den Sozialversicherungsbeiträgen beleidigt. Reeves müsse »hart arbeiten«, um das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen, sagte etwa Louise Hellem, die Chefökonomin des britischen Wirtschaftsverbandes CBI, in einer Erklärung vom 14. November. Zu diesem Zweck hat Reeves nun eine Idee entwickelt: Die Zusammenlegung von Rentenfonds soll das Wachstum ankurbeln.

Es geht um 86 Rentenfonds in England und Wales, in denen die Renten kommunaler Beschäftigter verwaltet werden. Diese sollen laut Angaben des britischen Finanzministeriums bis zum Jahr 2030 einen Wert von rund 500 Milliarden Pfund erreichen. Reeves plant nun für das Jahr 2025 die Vorlage eines Gesetzentwurfs, mit dem die vielen kleinen Rentenfonds auf eine einstellige Zahl sogenannter »Megafonds« reduziert werden sollen. Dies soll die finanzielle Schlagkraft der einzelnen Fonds drastisch erhöhen, um die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte zu ermöglichen. So soll die wirtschaftliche Aktivität privater Konzerne gefördert werden, was in der Vorstellung der Finanzministerin wiederum zu mehr Wirtschaftswachstum führt. Reeves spricht in diesem Zusammenhang von 80 Milliarden Pfund, die auf diesem Wege für die Förderung neuer Infrastrukturen frei würden.

Das Geld, das hier als Investitionsanreiz für große Konzerne verwendet werden soll, stammt überwiegend aus den Rentenbeiträgen kommunaler Beschäftigter, die meisten von ihnen Niedriglöhner, überwiegend Frauen. Der Umgang britischer Sozialdemokraten mit den Renten dieser Personengruppe hat eine konfliktreiche Geschichte. Im Jahr 2005 erhöhte die damalige New-Labour-Regierung unter Tony Blair das Rentenantrittsalter im öffentlichen Dienst von 60 auf 67 Jahre. Dagegen gab es gewerkschaftliche Massendemonstrationen und Streiks. Neben der Beteiligung am Irak-Krieg war dies Bestandteil eines bis heute zunehmend brüchigen Verhältnisses zwischen den Gewerkschaften und der britischen Sozialdemokratie. Auch als die konservativ-liberaldemokratische Regierung im Rahmen ihrer Austeritätspolitik die Renten im öffentlichen Dienst angriff, führte dies am 26. März 2011 zu einer gewerkschaftlichen Massendemonstration mit hunderttausenden Beteiligten.

Inzwischen befindet sich die britische Politik in einer weiteren Phase. Während insbesondere Sozialhilfebezieher, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen oder Alte von fortdauernder Sparpolitik betroffen sind, wünschen sich einflussreiche Teile der Wirtschaft und der Politik einen wirtschaftspolitisch aktiveren Staat. So veröffentlichte das CBI am 15. November einen längeren Artikel auf seiner Homepage, in dem eine Neuauflage der von der Blair-Regierung eingeführten »Public Finance Initiatives«, kurz PFI, gefordert wurde. Im PFI-Modell finanzierten private Konzerne den Bau öffentlicher Infrastrukturen wie zum Beispiel von Krankenhäusern vor. Dafür wurden sie von staatlicher Seite mit über 25 Jahre laufenden staatlichen Zahlungen, einschließlich einer Profitgarantie, belohnt. Die britische Gewerkschaftsbewegung hatte dieses Modell als Beispiel für einen »Sozialismus für Reiche« immer abgelehnt. Großkonzerne schätzten es jedoch aus demselben Grund, bis eine konservative Regierung im Jahr 2018 den Geldhahn abdrehte.

PFI operierte unter anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen als heute. Damals waren Unternehmen noch bereit, Schulden zu machen, um in Erwartung staatlich garantierter Gewinne Projekte in Gang zu setzen. Heute ist dieser Spielraum kaum vorhanden. Vom Staat wird erwartet, Gelder direkt vorzuschießen, damit irgend etwas passiert. Rachel Reeves’ Plan zur Errichtung von »Megarentenfonds« wäre möglicherweise ein Schritt in diese Richtung. Deshalb wird er vom CBI auch vorsichtig begrüßt. In den Worten von CBI-Chefökonomin Louise Hellem: »Großbritannien hat den zweitgrößten Pool an Rentenassets auf der Welt. Wege zu finden, um diese in Richtung langfristiger Investitionen zu lenken, könnte wirtschaftlichen Wohlstand generieren. Arbeitgeber werden diese Maßnahmen unterstützen, solange sie nicht zu hohen Kosten bei der Implementierung führen.«

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